Julia Exklusiv Band 0194
stolzen Kopf gesenkt und sie um Vergebung gebeten. Aber sie hatte in diesem Bett gelegen und ihre Macht genossen.
Sie liebte ihn, aber in den letzten vierundzwanzig Stunden hatte sie sich nicht von ihrer Liebe, sondern von ihrem Stolz leiten lassen. Sie war Sharifs Frau, wenn alles gesagt und getan war. Zugegeben, nur durch einen Irrtum. Er hatte nicht gewusst, dass eine Scheidung so schwer durchzusetzen war, und deshalb beschlossen, auf eine Scheidung zu verzichten. Seinen Worten zufolge hatte er eigentlich nie eine Scheidung gewollt, selbst nicht in Zeiten, da er sie, Faye, für herzlos und geldgierig gehalten hatte. Außerdem hatte er die Bedürfnisse von drei kleinen Kindern zu berücksichtigen, die sie liebten.
„Sharif …?“, flüsterte sie zögernd.
„Was ist?“ Offenbar dachte er, sie sei bereit für die nächste Runde.
„Nichts.“
„Dir ist doch nicht etwa die Munition ausgegangen, oder?“
„Doch. Ich würde Rafi, Basma oder Hayat nie wehtun“, erklärte sie leise.
„Wenn du unbedingt abreisen willst, solltest du es sofort hinter dich bringen. Je länger du bleibst, desto schwerer wird es für die Kinder“, entgegnete er. „Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“
Eine nie gekannte Furcht erfasste Faye. „Ich habe mich mitreißen lassen. Es tut mir leid.“
Sharif schwieg. Sie beobachtete, wie er den Reißverschluss der ausgeblichenen Jeans hochzog und ein dunkelgrünes Polohemd überstreifte. Er würdigte sie keines Blickes, sie hätte genauso gut unsichtbar sein können.
„Es tut mir leid“, wiederholte sie. „Alles.“
„Mir tut es leid … dir tut es leid … den Kindern wird es auch leidtun.“ Er ging an ihr vorbei zur Schlafzimmertür.
„Sharif?“
„Ich wünschte, ich könnte etwas Tiefgründiges sagen“, seine Hand verweilte auf dem Türknauf, „aber unsere Beziehung gleicht einer schwarzen Komödie der Irrtümer, und mir fehlen die Worte. Inschallah.“
Die Kehle war ihr wie zugeschnürt.
Er öffnete die Tür und hielt inne. „Was soll ich mit der Stute machen?“
„Welcher Stute?“
Stirnrunzelnd drehte er sich um. „Es sollte eine Überraschung werden … Delilah, deine Stute, die du letztes Jahr verkaufen musstest. Ich habe sie aufgespürt und von der Reitschule erworben, aber noch ist sie in Quarantäne, und bis du wieder Stallungen hast … Keine Sorge, ich kümmere mich darum.“
Bis Faye sich von dieser Mitteilung erholt hatte, war Sharif verschwunden, und niemand schien die leiseste Ahnung zu haben, wo er war.
Sie rief Latif an, und nach einer Reihe von Ausflüchten versprach er, zur Muraaba zu kommen.
„Es besteht kein Anlass zur Sorge“, versicherte er bei seiner Ankunft.
„Ich will bloß wissen, wo er ist, das ist alles.“
Latif seufzte. „Seine Königliche Hoheit hat Orte, zu denen er geht, wenn er allein sein möchte. Allein zu sein ist ein großer Luxus für ihn. Vielleicht ist er am Strand, vielleicht in der Wüste. Vielleicht fährt er durch die Stadt, vielleicht schlendert er irgendwo eine Straße entlang, als wäre er ein ganz normaler Mensch.“
„Wie kann er sicher sein, wenn Sie nicht einmal wissen, wo er ist? Das kann nicht sicher sein!“
Latif konzentrierte sich auf das Muster des Teppichs.
„Er ist nie allein, oder?“ Faye atmete bei dieser Erkenntnis erleichtert auf. „Sie haben ihn stets unter Bewachung.“
„Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung.“ Er hob wieder den Kopf. „Uns allen ist klar, dass Prinz Sharif eine gewaltige Verantwortung trägt und unzählige lästige Beschränkungen klaglos akzeptiert. Trotzdem ist er noch ein junger Mann. Er hat nie die Freiheiten kennengelernt, die sein Vater genossen hat, und es wird ihm auch leider nie vergönnt sein, denn die Welt hat sich zu stark verändert. Wenn Sie mich jedoch nach seinem Aufenthaltsort fragen, ist es natürlich meine Pflicht, ihn zu verraten, Eure Königliche Hoheit.“
Faye war blass geworden. „Nein, es ist schon gut. Ich möchte es nicht mehr wissen, und – soweit es mich betrifft – hat dieses Gespräch nie stattgefunden.“
Mit einem angespannten Lächeln begleitete sie Latif zum Ausgang – eine Geste der Höflichkeit, die er verdient hatte, nachdem er in eine so peinliche Lage gebracht worden war.
„Das letzte Jahr war von fast unerträglichem Kummer überschattet“, bemerkte der ältere Mann taktvoll. „In den vergangenen Wochen war der Schmerz kaum noch spürbar.“
„So wird es wieder werden“, versicherte sie.
Faye ging ins
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