Julia Exklusiv Band 0194
berührt. Mütterliche Tugenden? Innerhalb weniger Sekunden war Fayes Seelenfrieden dahin.
Sharifs boshafte Cousine hatte recht. Wie hätte Sharif bezüglich ihrer Ehe reagiert, wenn sie sich nicht mit Rafi, Basma und Hayat angefreundet hätte? Er war bestrebt, das Richtige für die Kinder zu tun. Da er alle Verpflichtungen ernst nahm, war es durchaus möglich, dass er ihre Bedürfnisse über die eigenen stellte.
Obwohl er zweifellos ein eigenes Kind brauchte, um die Thronfolge zu sichern, schützte er Faye vor einer Schwangerschaft. Diese Tatsache verunsicherte sie. Vielleicht vertraut er mir noch nicht genug, überlegte sie. Ihre vermeintliche Bereitschaft, die Kinder im Stich zu lassen, hatte vermutlich seine Meinung über sie beeinflusst. Wahrscheinlich wollte er sich zuerst vergewissern, dass ihre Ehe ein Erfolg war, bevor er das Gespräch auf gemeinsame Kinder brachte.
Auf einmal fiel Fayes Blick auf Sharif, der mit Majida redete. Es behagte ihr gar nicht, ihn in Gesellschaft der anderen Frau zu sehen. Welche clever ersonnenen Gemeinheiten mochte seine Cousine ihm wohl einflüstern? Angeblich waren Männer ja für solche Manipulationen empfänglich. Als Faye wieder in die Richtung blickte, schlüpfte Majida gerade mit mürrischem Gesicht aus der Tür.
Auf der Heimfahrt zur Muraaba nahm Sharif Fayes Hand und küsste beinahe andächtig ihre Fingerspitzen. „Du warst wundervoll. Ich bin sehr stolz auf dich.“
Sie lächelte geschmeichelt. „Solange die Leute nicht erwarten, dass ich in die Fußstapfen deiner Mutter trete … Dann wäre ich nämlich sicher eine Enttäuschung.“
„Bist du deshalb so schweigsam gewesen?“ Als sie zögernd nickte, lachte er leise. „Meine Mutter war eine ungewöhnliche Frau, aber keine Heilige. Sie war zu aggressiv, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, und hat oftmals die Menschen mit ihrer unverblümten Art schockiert. Dank ihrer angeborenen Warmherzigkeit wurde ihr stets verziehen. Du hast die gleichen Tugenden, ohne danach zu streben, die Welt über Nacht zu ändern.“
Seine Ehrlichkeit rührte Faye, und allmählich kehrte ihre Zuversicht zurück.
„Meine Cousine Majida wird dich nicht mehr belästigen“, fügte er lässig hinzu. „Ich war sehr verärgert, als ich hörte, wie sie mit dir geredet hat.“
Sie errötete. „Du hast es gehört?“
„Ich habe gelauscht, und zwar nicht zufällig. Mir war inzwischen längst klar, dass nur Majida dich in unserer Hochzeitsnacht derart hatte beleidigen können. Ich kenne meine Verwandten durch und durch. Bloß Majida konnte darüber unglücklich sein, dass ich auf einmal eine junge schöne Frau präsentierte, denn der Rest meiner Familie wollte mich unbedingt verheiratet sehen.“
„Ich glaube, sie hat sich für eine passendere Braut gehalten.“ Faye seufzte.
„Hochzeiten zwischen Cousins ersten Grades sind in arabischen Ländern üblich, aber in meiner eigenen Familie wird diese Praxis abgelehnt.“
„Also selbst wenn du sie hättest heiraten wollen, wäre es dir nicht möglich gewesen.“
„Nein, auf diesem Gebiet hatte ich immer die freie Wahl. Majida hat eine hohe Meinung von sich und war eifersüchtig. Von nun an wird sie jedoch darauf achten, dich mit dem angemessenen Respekt zu behandeln.“
„Du hättest dich wirklich nicht einmischen müssen.“
„O doch. Als ich sah, wie du wie ein kleines Mädchen mit großen, traurigen Augen dagestanden und keinerlei Anstalten gemacht hast, dich zu wehren, dachte ich: ‚Typisch Frau‘.“
„Wie meintest du das?“, fragte sie empört.
„Siehst du, was ich meine? Du bist schon bereit, mich anzuschreien. Du hast einen ungeheuren Kampfgeist, trotzdem hast du Majida nicht zurechtgewiesen.“
„Ich wollte lediglich würdevoll sein“, verteidigte sie sich.
Sharif legte den Arm um sie und zog sie an sich. „Ich weiß, aber ich war außer mir, als du ihre Bosheiten geschluckt hast. Du hättest ihr wenigstens die kalte Schulter zeigen und weggehen können. Glücklicherweise wird dir so etwas nie wieder passieren. Ich entschuldige mich für die Unhöflichkeit meiner Cousine.“
„Es war nicht dein Problem.“ Faye schmiegte sich an ihn und atmete tief seinen unverwechselbaren Duft ein. Er mochte sie vielleicht nicht lieben, aber er sorgte sich um sie.
Das Autotelefon summte. Mit einem ungeduldigen Seufzer griff Sharif nach dem Hörer. Sie merkte sofort, dass er sich anspannte, und richtete sich ängstlich auf. „Was ist los?“, fragte sie, nachdem
Weitere Kostenlose Bücher