Julia Exklusiv Band 0194
wahr?“
„Ich bin müde“, antwortete sie, unsicher durch seine plötzliche Sanftheit. „Es war ein langer Tag.“
„Es wird Sie erleichtern zu wissen, Anita, dass ich eine Woche in London bin. Ich werde Strathern Grüße bestellen. Vielleicht bringe ich ein Geschenk vom Schiff mit, das gerade aus Fernost mit Ballen schönster echter Seide zurückgekommen ist.“
„Ich werde hier in Cornwall kaum etwas damit anfangen können, Mister Talgarth.“
„Nicht einmal als Kissenbezüge oder so“, knurrte er. „Also, bis dann, Miss Perry. Au revoir.“
Er ging in die Dunkelheit. Anita hörte, wie er die Stufen hinaufging, dann ertönten die Glöckchen und das Getrappel der Hufe.
„Anita“, klang Kims Stimme aus dem Haus. „Komm in die Küche, ich habe uns Schokolade gekocht. Sie muss heiß getrunken werden.“
Anita lachte in sich hinein. Heiße Schokolade und das Geplapper ihres Schützlings waren eine wunderbare Entspannung nach der Unterhaltung mit Eduard Talgarth. Unterschwellig war viel mehr gesagt worden, als seine Worte ausgedrückt hatten.
Er bat um ihre Freundschaft, bot ihr Seide zum Geschenk an, und dennoch konnte sie ein gewisses Unbehagen nicht unterdrücken. Immer wieder hatte sie den Wunsch, vor ihm davonzulaufen. Seine Berührung war ihr fast unerträglich. Es waren nicht Tarquins Hände. Schnell schloss sie die Haustür und eilte zu Kim in die Küche.
„Worüber habt ihr denn die ganze Zeit geredet?“, fragte sie wissbegierig. „Und warum hast du mir nicht erzählt, dass du Eduard kennst? Warum so geheimnisvoll?“
„Ich hielt es nicht für wichtig.“
Anita nippte an ihrer Schokolade.
„Gehen wir morgen schwimmen? Vielleicht machen wir ein Picknick am Strand?“
„Super!“ Kim strahlte. „Meinst du, Eduard würde drei Jahre warten, bis ich erwachsen bin?“, fragte sie über den Rand ihrer Tasse hinweg. „Ich glaube, er ist einsam, und ich wäre gern die Herrin in seinem Schloss. Es wäre so romantisch, die Braut des letzten Talgarth zu sein.“
„Dein Vater wird kaum begeistert sein, wenn seine Einzige einen Mann heiratet, der doppelt so alt ist wie sie“, erwiderte Anita trocken.
„Das Alter spielt doch gar keine Rolle, wenn zwei Menschen sich lieben. Ältere Männer sind freundlicher, verständnisvoller und können einem jungen Mädchen beibringen, wie man liebt und lebt.“
„Ich wette, ich könnte Eduard dazu bringen, auf mich zu warten, wenn ich es wirklich will.“
„Das wirst du nicht tun!“ Anita sah betroffen aus. „Ich werde nicht erlauben, dass du mit Eduard Talgarth flirtest. Dein Vater wird mir das nie verzeihen.“
„Hängst du sehr an Papa?“
„Ich habe ihn sehr gern.“
„Jemanden gern haben ist nicht dasselbe, wie von ihm ganz weg, ganz begeistert zu sein.“
„Ich habe keine Ahnung, woher du all diesen Unsinn hast“, sagte Anita ernst, „jedenfalls hören wir jetzt auf damit. Dein Zimmer ist hergerichtet und jetzt gehen wir schlafen.“
„Spielverderberin“, rief Kim, dann seufzte sie. „Tut es weh, über romantische Dinge zu sprechen, weil du den Mann, den du liebtest, nicht vergessen kannst?“
„Ich möchte nicht über dieses Thema sprechen. Es ist vorbei.“
„Ist er ein sehr schöner Mann?“
„Ja.“
Anita zog Kim vom Stuhl. „Und jetzt ins Bett, junge Dame. Ich spüle die Tassen ab und verschwinde auch gleich.“
„Anita!“
„Was jetzt noch, du neugieriges Geschöpf?“
„Ich bin froh, dass Papa dich gebeten hat, den Sommer mit mir zu verbringen. Es ist nämlich frustrierend, immer wie ein Kind behandelt zu werden. Doch du und Eduard, ihr sprecht vernünftig mit mir, als wäre ich erwachsen. Findest du ihn auch so interessant? Er kennt die ganze Welt, und er hat etwas – etwas sehr Aufregendes an sich. Was kann das nur sein?“
„Er hat etwas von einem Piraten“, erklärte Anita, „er ist ein Mann, der sich wenig um Gesetze und Konventionen kümmert, nach denen andere Menschen leben.“
„Wie hast du seine Bekanntschaft gemacht?“
„Er besuchte Avendon, um meiner Stiefschwester den Hof zu machen. Doch Charme liebt das bequeme Leben. Sie ist zu sachlich, um sich von einem groben Cornwall-Mann, der seine eigenen Wege geht, aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Sie entschied sich für einen anderen, einen sehr reichen jungen Mann. Ich bin sicher, Mister Talgarth ist nicht mit gebrochenem Herzen abgereist, er war wohl nicht einmal angeschlagen.“
„Du bist hart mit ihm“, rief Kim.
„Oh, er
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