Julia Exklusiv Band 0194
sein besonderes Abenteuer zu bestehen gehabt. Gegen halb drei Uhr morgens hatte man alle Passagiere versorgt und in die bereitstehenden Betten verteilt.
In der großen Küche war es ruhig geworden. Nun warteten sie auf die Besatzung des Schiffes.
Kim gähnte. Die Aufforderung, in ihr Bett zu gehen, hatte sie abgelehnt.
„Nein, ich will noch warten“, erklärte sie, „ich muss Eduard sehen, um sicher zu sein, dass ihm nichts passiert ist.“
„Mister Eduard kann nichts passieren“, versicherte Jancey. „Er ist Seemann durch und durch und stark. Er ist ein Talgarth. Meine zwei Brüder hat er einmal aus einem Sturm gerettet, der noch schlimmer war als der heute Nacht. Wir haben am Strand gestanden, geweint und gebetet. Keiner glaubte, dass sie zurückkommen würden. Doch er hat es geschafft. Ich bin ihm mein Leben lang dafür dankbar.“
Anita lauschte den Sturmböen und dem Donnern der Wellen. Sie war nervös und unruhig. Eine Standuhr schlug drei. Die Rettungsboote würden hart kämpfen müssen, um wieder an Land zu kommen. Sie trat ans Fenster und sah, wie es dämmerte. Endlich hörte sie draußen Stimmen. Dunkle Männerstimmen, hier und da ein Lachen der Erleichterung.
In wenigen Minuten war die Küche wieder voller Menschen. Es roch nach feuchten Kleidern, nach Tee und Rum. Es entstand ein großes Durcheinander. Hände griffen nach den Broten, ließen sich Tee- oder Rum-Tassen füllen.
Anita verteilte Decken und suchte nach Talgarth, den sie nirgends entdecken konnte. Da fiel ihr Blick auf einen großen schlanken Mann, der an der Tür stand. Sie schrie auf, als sie ihn erkannte. Er wollte gerade einen Becher an den Mund führen und sah sie im gleichen Augenblick.
„Anita!“
„Tarquin!“
Sie konnte es nicht glauben und drängte sich durch die Gruppe von Menschen hindurch zu ihm. Sie berührte seinen Arm, um sich zu überzeugen, dass er es wirklich war.
„Du bist es. Du warst mit der Mannschaft an Bord geblieben?“
„Ja“, lachte er. „Anita, das ist nicht zu glauben. Du bist es wirklich.“
Es war der Tarquin, den sie einst in Avendon im Theater getroffen hatte, Tarquin mit den leuchtenden Augen und dem gutgeschnittenen Gesicht.
„Du hast mich wiedererkannt?“, fragte sie überwältigt.
„Sofort. Eine Nymphe zwischen all den rauen Seeleuten.“
„Tarquin, nach deinem Unfall im Theater, nach der Operation hast du nicht mehr gewusst, wer ich bin“, sagte sie leise.
„Das war wohl das Merkwürdigste, was ich je erlebt habe“, murmelte er, „doch jetzt, Anita, ist plötzlich alles wieder da. Meine kleine Nymphe.“
„Ich bin so froh, dass du gesund und gerettet bist. Es muss entsetzlich gewesen sein da draußen bei diesem Sturm. Ich hole dir eine Decke, du bist ja völlig durchnässt.“
„Nein“, er hielt sie fest. „Ich hatte einen Gummimantel und bin kaum nass geworden. Bitte, bleibe einen Augenblick bei mir. Was machst du hier, dies ist doch das Haus von Eduard Talgarth, nicht wahr?“
„Ja. Er gehört zur Rettungsmannschaft. Hast du ihn gesehen, geht es ihm gut?“
„Ja. So ein großer, dunkler Typ. Er hat für drei gearbeitet, um uns aus diesem angeschlagenen Schiff zu holen. Es ist abgesackt, wenige Minuten nachdem der Kapitän von Bord gegangen war. Talgarth wird beim Kapitän sein. Die Küstenwache war gekommen und ein paar Beamte. Er scheint ja hier so etwas wie ein Nabob zu sein.“
Anita war erleichtert über die Nachricht und lächelte.
„Er ist ein Talgarth, und die Menschen scheinen seiner Kraft und Intelligenz zu trauen.“
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, was du hier machst, Anita?“, fragte Tarquin.
„Ich betreue Kim in den Ferien. Da drüben steht sie, sie ist die Tochter des Professors, der dich operierte. Ich habe gehört, du warst in Amerika. Dr. Strathern hat es Eduard gesagt.“
„Eduard?“, fragte Tarquin verwundert. „Du warst eben sehr blass und ängstlich, bevor ich dir berichtete, dass er in Sicherheit ist. Damals mochtest du den Mann doch nicht. War er nicht ein Verehrer deiner Schwester?“
„Nein.“ Anita war selbst erschrocken über ihre temperamentvolle Reaktion. „Sie war nur eine Zerstreuung für ihn – genau wie ich.“
„Du, Anita?“
„Ja“, und sie konnte sogar dabei lächeln, „für dich!“
„Das ist nicht wahr“, protestierte er. „Wir hatten so viele gemeinsame Dinge. Wenn wir uns trafen, war es immer wie ein Fest, und wenn wir uns küssten, war es, als käme die Sonne hinter den Wolken
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