Julia Exklusiv Band 0194
seiner Kameraden an.
Sharif kam zu ihr. „Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?“
Selbst heute, über ein Jahr danach, musste Faye zugeben, dass ihr noch nie so leicht eine Lüge über die Lippen gekommen war. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie einen Mann beeindrucken und nicht wie ein verliebtes Schulmädchen wirken wollen. Sie wusste, sie hatte nur diese eine Chance, denn es war äußerst unwahrscheinlich, dass sie sich je wieder treffen würden.
„Jemand, der Sie sehr gut kennt, hat Sie als Teenager bezeichnet“, meinte Sharif lässig, nachdem er sich nach ihrem Befinden erkundigt hatte.
„Manche Menschen verlieren das Zeitgefühl, wenn sie einen ein paar Jahre nicht gesehen haben.“ Da sein Blick unverwandt auf ihr ruhte, fuhr sie sich lässig mit den Fingern durchs silberblonde Haar und schenkte ihm ein – wie sie hoffte – trotzdem amüsiertes Lächeln. „Ich bin zwar nicht groß, aber immerhin dreiundzwanzig.“
„So sehen Sie gar nicht aus“, erwiderte er offen.
„Das macht die gesunde Landluft“, behauptete sie mit einem koketten Augenaufschlag.
Und das war es gewesen. Sie hatte lediglich erreichen wollen, dass er sie nicht wegen ihrer Jugend ignorierte und sich nicht für sie interessierte. Weiter hatte sie nicht gedacht.
„Ich würde Sie gern wiedersehen“, sagte Sharif.
„Wann?“, fragte sie und ruinierte damit den Eindruck der älteren, coolen Frau.
Verwundert schaute er sie an und lächelte. „Warten Sie es ab.“
Am nächsten Tag trafen die ersten Rosen ein. Es folgten täglich weiße Rosen, die das Haus mit ihrem köstlichen Duft erfüllten. Keine Karte, trotzdem wusste Faye natürlich, dass sie von Sharif stammten. Sie hing Tagträumen nach und sprang jedes Mal auf, sobald das Telefon läutete, aber es dauerte eine Woche, bis er sich bei ihr meldete.
„Sag ihm, du seist ausgebucht“, kritzelte Lizzie auf einen Block, als sie merkte, dass Faye mit Sharif sprach.
Faye blickte ihre Schwägerin entsetzt an. Sie wäre barfuß im Sturm nach London gelaufen, um Sharif zu sehen!
„Tut mir leid, das kann ich nicht einrichten …“
„Du musst noch viel lernen, Kleines.“ Ihre Schwägerin stöhnte auf, als Faye in Tränen ausbrach, nachdem Sharif aufgelegt hatte, ohne einen neuen Termin vorgeschlagen zu haben. „Wenn du ihn gleich nach der ersten Verabredung wieder los sein willst, nur zu, und zeig ihm, wie verrückt du nach ihm bist!“
Lizzie war nur vier Jahre älter als Faye und hielt alles für einen fabelhaften Scherz. Als Sharif Adrian anrief und die ganze Familie stattdessen zum Dinner einlud, nahm Lizzie ihren Mann beiseite, bevor sie am folgenden Abend ausgingen. Sie warnte Adrian, Fayes wahres Alter vor Sharif nicht zu erwähnen.
„Mir gefällt nicht, dass du überhaupt gelogen hast.“ Adrian blickte seine errötete Schwester streng an.
„Reg dich nicht auf, Adrian“, beschwichtigte ihn Percy zu Fayes größter Verwunderung.„Der kleine Flirt wird ohnehin zu nichts führen. Sharif ist schließlich ein echter Prinz. Gönn deiner Schwester den Spaß. Solange sich der Bursche ein schickes Abendessen mit der ganzen Familie unter einem heißen Rendezvous vorstellt, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“
In den folgenden Wochen redete Faye sich immer wieder ein, dass es keine Zukunft für eine Beziehung zwischen ihr und Sharif geben konnte, doch das hinderte sie nicht daran, sich unsterblich in ihn zu verlieben. Die Erkenntnis, wie sehr sie ihn liebte, machte sie verletzlich und zunehmend verzweifelt. Sie war überzeugt, dass er sie nach dem Tod seines Vaters sofort vergessen würde, da er dann mehr Zeit in Jumar als im Ausland verbringen musste. In dem Glauben, dass ihre Zeit mit ihm sich dem Ende zuneige und sie nie wieder jemanden so lieben würde wie ihn, traf sie eine spontane Entscheidung, die sich letztlich als der größte Fehler ihres Lebens erwies.
Es ist so absurd, überlegte Faye, als sie in die Gegenwart der stillen Schönheit des Muraaba-Palastes zurückkehrte. Vor einem Jahr hatte Sharif äußerst schockiert geklungen, als sie ihn eingeladen hatte, die Nacht bei ihr zu verbringen. Sie hatte ihm außerdem versichert, sie würden ganz allein im Haus sein. Es war wirklich seine eigene Schuld gewesen, dass ihre dumme Aufforderung zu keinerlei Intimitäten geführt hatte.
In ihrer Nervosität hatte sie eine besondere Atmosphäre für einen romantischen Abend mit dem Mann schaffen wollen, den sie liebte. Sharif war jedoch zu spät gekommen
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