Julia Exklusiv Band 0194
habe.“
„Nun, du hast Omeir, das Wunderpferd, gerettet.“ Zutiefst beschämt über ihren Irrtum wandte sie sich ab.
Sharif hielt sie zurück und zwang sie sanft, ihn anzusehen. „Die Angelegenheit ist zu ernst, als dass man sie mit einer schnippischen Bemerkung abtun sollte. Mein ganzes Leben lang wurde ich dazu erzogen, Verantwortung zu tragen, trotzdem habe ich heute Nachmittag meine Pflichten vergessen.“ Unvermittelt gab er sie frei, so als wäre ihm jeglicher Körperkontakt mit ihr zuwider. „Ich war in der Haja, als mir von deiner Flucht in die Wüste berichtet wurde. Normalerweise hätte mich die Schilderung deiner akrobatischen Kunststücke auf den Dächern und Mauern der Muraaba amüsiert, aber leider war kurz zuvor eine Unwetterwarnung durchgegeben worden. Wider alle Vernunft habe ich die Bitten meiner Berater ignoriert und einen Helikopter genommen. Warum? Weil ich unter solch gefährlichen Flugbedingungen nie von einem Mann verlangen würde, sein Leben zu riskieren, um deines zu retten.“
Ihr stockte der Atem.
„Ich hätte das Risiko eigentlich nicht eingehen dürfen – ich, der außer einem vierjährigen Bruder keinen Erben hat!“ Er war unter der sonnengebräunten Haut blass geworden. Zu Fayes größter Überraschung zog er ein Handy aus der Tasche. „Am schlimmsten ist jedoch, dass ich meine Zeit mit dir verschwendet habe, während mein Land, dem ich in erster Linie verpflichtet bin, sich im Ausnahmezustand befindet!“
Zum ersten Mal erkannte sie, dass er – im Gegensatz zu ihr – zwei Leben hatte: eins, das in der Öffentlichkeit stattfand, und ein privates. Natürlich stand die Verantwortung als Herrscher seines Landes weit über allen persönlichen Interessen. „Es tut mir wirklich leid …“ „Nicht halb so leid wie mir. Ich habe meine Pflicht vernachlässigt.“ Mit schweren Schritten ging er in die vordere Höhle. Kurz darauf hörte sie ihn telefonieren. Der Sturm hatte sich gelegt, ohne dass sie es gemerkt hatten.
Faye beugte sich übers Wasser, um sich das Gesicht zu waschen. Sie griff nach der „kaffiyeh“, die Sharif hatte liegen lassen, und trocknete sich damit ab. Dem Stoff haftete noch Sharifs unverwechselbarer Duft an.
In der Ferne ertönte plötzlich ein gleichmäßiges Dröhnen. Maschinen? Am liebsten hätte sie geschrien, dass es nicht ihre Absicht gewesen sei, solche Aufregung zu verursachen. Omeir zwängte sich durch die Felsspalte, damit er wieder seinem Herrn und Meister nahe sein konnte. Tränen traten Faye in die Augen. Omeir war tatsächlich etwas ganz Besonderes.
Mit dem Rucksack über der Schulter verließ sie die Höhle. Der hellblaue Himmel wimmelte nur so von Militärflugzeugen und Hubschraubern. In der Ferne zogen drei Jets Kondensstreifen hinter sich her.
„Siehst du, was ich angerichtet habe?“, rief Sharif rau. „Man veranstaltet meinetwegen eine landesweite Suche und verschwendet dabei Kräfte, die sich eigentlich um die Sturmopfer kümmern sollten!“
„Es tut mir wirklich … aufrichtig leid“, flüsterte Faye. „Ich hatte keine Ahnung, wie gefährlich ein Sandsturm sein kann. Ich dachte, dabei würde nur ein bisschen Sand durch die Luft geweht.“
„Halt den Mund, bevor ich dich erwürge.“ Sharif stöhnte auf.
„Wohin sollte Omeir gebracht werden?“
„In der Ostprovinz findet in diesem Monat ein Treffen der Stammesfürsten statt. Omeir sollte vor meiner Ankunft in die Wüste transportiert werden. Nun werden wir beide uns verspäten“, fügte er mürrisch hinzu.
„Ich wollte dir nicht solchen Ärger machen.“
„Lust hat ihre eigenen Strafen.“
Faye presste die Lippen zusammen und zog sich wieder in den Schatten der Höhle zurück. Sie beobachtete, wie die Helikopter nacheinander landeten und den Sand aufwirbelten.
Plötzlich drehte Sharif sich zu ihr um. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Andererseits habe ich jetzt vielleicht endlich den vollen Preis für mein Verlangen nach dir bezahlt und darf nun die Belohnung genießen.“
Als sich Stimmen näherten, wandte er sich rasch ab und ließ Faye verwirrt zurück. Eine Schar besorgter Piloten und mehrere agile ältere Männer, die offenbar als Passagiere mitgeflogen waren, eilten auf Sharif zu. Als sie ihn erreichten, fielen sie auf die Knie und dankten dem Himmel lauthals für seine Unversehrtheit. Im Westen wäre eine Szene, wie Faye sie hier gerührt erlebte, undenkbar gewesen.
Sharif wurde nicht nur respektiert, sondern aufrichtig geliebt und
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