Julia Exklusiv Band 0194
Bettvorhänge geöffnet, und Sharif erschien. „Deine Zofen wollen dich unbedingt vor allen Männeraugen verbergen – sogar vor meinen. Ich habe zehn Minuten gebraucht, um dich zu finden.“ Obwohl er erschöpft wirkte, seine dunkle Haut fahl war und die Anstrengung sich auf seinen markanten Zügen spiegelte, leuchteten seine Augen so strahlend wie immer.
„Du trägst keine Landestracht?“ Mit klopfendem Herzen schaute sie ihn an. In dem maßgeschneiderten dunklen Anzug sah Sharif einfach sensationell aus.
„Die Roben werden nur bei offiziellen Anlässen und in der Wüste getragen, weil sie dort einfach praktischer als westliche Kleidung sind. Gestern in der Haja habe ich die wöchentliche Majilis abgehalten, so etwas wie eine Sprechstunde für mein Volk. Die Leute tragen mir ihre Streitigkeiten vor, damit ich die Sache schlichte, oder beklagen sich über Ungerechtigkeiten. Ich nehme den Platz eines Richters ein.“
Eine Hand auf den Bettpfosten gestützt, betrachtete er sie voller Verlangen. Dann ließ er den Blick über ihre geröteten Wangen, die samtige Haut ihrer Schultern, die schmalen Träger ihres Nachthemds gleiten und spöttisch auf dem Laken verweilen, das sie noch immer unter die Arme geklemmt hatte. Das sinnliche Knistern zwischen ihnen war förmlich spürbar.
„Du konntest mich nicht finden? Dies ist ein Zelt …“ Verzweifelt versuchte Faye, ihn abzulenken.
„Ein Zelt, das fast einen Hektar umfasst.“ Er setzte sich zu ihr aufs Bett. „Ein Zeltpalast, der häufig benutzt wird. Wir sind ein Wüstenvolk, und der Wunsch, einengenden Steinmauern zu entfliehen, brennt noch immer in uns. Mein Vater pflegte hier draußen monatelang mit weitaus weniger Komfort zu leben. Er schickte nach einer Frau, wann immer ihm der Sinn danach stand …“
„Er schickte nach einer Frau?“, wiederholte Faye fassungslos.
Sharif zog sanft, aber beharrlich am Laken. „Du wirkst so schockiert. Bevor er meine Mutter heiratete, hatte mein Vater mindestens hundert Konkubinen. Sex zwischen den Geschlechtern war damals bemerkenswert problemlos. Er gehörte so selbstverständlich zum Leben meines Volkes, dass man kein Wort oder besonderes Interesse darauf verschwendete.“
„Und jetzt ist es anders?“ Sie hielt das Laken fest.
„Ich muss nicht nach dir schicken. Du bist hier und wartest auf mich.“ Lächelnd ließ er das Laken los. Seine Miene verriet, dass er diesen Kampf jederzeit gewonnen hätte, hätte er es gewollt. „Manche Dinge ändern sich nie. Deine Anwesenheit hier ist so offiziell wie eine Pressemitteilung.“
„Und warum?“ Ihre Verlegenheit war grenzenlos.
„Denk an dein Abenteuer von gestern. Du kannst nicht über die Mauern der Muraaba spazieren wie eine Zirkusartistin, dir Omeir ausleihen und mich zwingen, dir mitten in einen Sturm zu folgen, ohne erhebliches Aufsehen zu erregen“, erklärte Sharif kühl, während sie errötend die Lider senkte. „Gestern war ich wütend, aber jetzt bin ich ruhig. Heute Nacht wirst du so zu mir kommen, wie du es schon vor einem Jahr hättest tun sollen, und ich muss nicht mehr auf Diskretion achten.“
„Zu dir kommen?“
„So wie eine Frau zu einem Mann kommt. Und zwar nicht in ein Badelaken gehüllt in ein Schlafzimmer voller mädchenhafter Stofftiere – und nicht mit einem Stiefvater, der darauf wartet, hereinzuplatzen und Entrüstung zu heucheln. Glaube mir, heute Nacht wird es keinerlei Störungen geben.“
„Aber ich …“
„Was hast du daran auszusetzen? Damals warst du nicht zu schüchtern, dein Verlangen nach mir zu zeigen. Was hat sich geändert?“
„Ich bin älter und klüger geworden. Ich dachte, ich würde dich lieben, doch davon hast du mich schnell kuriert.“
„Und ich dachte, ich würde dich auch lieben.“ Er stieß ein verächtliches Lachen aus und presste die Lippen zusammen. „Ich wurde davon ebenfalls kuriert, als du mich in eure Falle gelockt hast.“
Und ich dachte, ich würde dich auch lieben . Nein, schrie eine innere Stimme, nein! Sie wollte ihm nicht glauben, denn es war so viel einfacher gewesen, sich einzureden, er habe sich nie wirklich etwas aus ihr gemacht und deshalb könnte sie auch nicht verlieren, was sie eigentlich nie besessen hatte. „Du hast mich nicht geliebt.“
Sharif sprang auf und sah sie vorwurfsvoll an. „Weißt du, wann du in mir alles getötet hast, was ich je für dich empfunden habe? Als ich dir am nächsten Tag einen Antrag machte und du ohne Zögern eingewilligt hast. Das hat
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