Julia Exklusiv Band 0197
sie im Kleid von gestern Abend, aber ohne passendes Make-up dazu, nach Hause kommen sähe. Das könnte Anlass zu einer sehr hässlichen Szene geben, vor allem, wenn Lyall sich einbildete, sie würde zu ihm zurückkehren. Ganz bestimmt war er nicht auf den Gedanken gekommen, sie könnte schon einen anderen haben … und schon gar nicht, dass dieser andere Nic Moretti sein würde.
Serena atmete tief ein und stellte das schnurlose Telefon zurück auf die Station. Erst jetzt, wo sie sich verabschieden musste, wurde ihr richtig bewusst, wie heiß die Liebesnacht mit Nic gewesen war. Sie konnte zwar nicht in sein Herz blicken, aber was sie miteinander geteilt hatten, war so intensiv, so besonders gewesen, dass es ihm einfach genauso viel bedeutet haben musste, wie es ihr bedeutet hatte. Und heute Morgen … es war mehr als nur Sex, was sie verband, oder nicht? Unsicher blieb sie auf der Schwelle zur Terrasse stehen. Was empfand Nic wirklich für sie?
Sie betrachtete ihn, wie er dasaß und die Sonntagszeitung durchblätterte. Eins war klar: Er übte eine Anziehungskraft auf sie aus, die alles, was sie je für Lyall empfunden hatte, in den Schatten stellte. Aber wenn sie einmal von Nics erotischer Wirkung absah, unterschied er sich in anderer Hinsicht wirklich so sehr von ihrem Exverlobten? Erwartete er nicht vielleicht auch von einer Frau, dass sie gerade da war, wenn er sie wollte, während sich sein Leben ansonsten um seine Arbeit, seine Karriere, seinen Erfolg drehte?
Serena wusste es nicht. Sie wusste viel zu wenig von ihm und konnte auch nicht entscheiden, inwieweit sie ihren Gefühlen unter diesen Umständen trauen durfte. Nur eines war gewiss: Ihre Beziehung zu Lyall wollte sie auf keinen Fall wieder aufnehmen.
Nic blickte von der Zeitung auf. Er hatte plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Als er den Kopf wandte, ertappte er Serena dabei, wie sie reglos in der Terrassentür stand und ihn so intensiv und forschend ansah, dass es ihn seltsam verunsicherte.
„Was ist passiert?“ Er stand unwillkürlich auf, bereit, jeden Kampf um sie aufzunehmen. Sie hob beschwichtigend die Hände. „Bleib ruhig sitzen. Ich muss los. Michelle braucht mich zu Hause.“
„Warum?“
Sie schüttelte den Kopf, offenbar nicht gewillt, ihn in ihr Familienleben mit einzubeziehen. „Es ist da ein Problem aufgetreten, um das wir uns kümmern müssen.“
„Kann ich irgendwie helfen?“
„Nein.“ Sie seufzte. „Es tut mir wirklich leid, aber es lässt sich leider nicht ändern. Ich muss mich anziehen und fahren.“
Sie war schon in Richtung Schlafzimmer verschwunden, ehe Nic richtig begriff, was da geschah. Nach der wunderbaren Harmonie, die den ganzen Morgen zwischen ihnen geherrscht hatte, jetzt wieder … der totale Rückzug. Sie war nicht einmal bereit, ihm von dem Problem zu erzählen, das die Ursache dafür war. Betroffen wurde Nic sich bewusst, dass er für Serena von einer Minute auf die andere einfach nicht mehr zählte. Sie hatte ihn ausgeschlossen.
Der Wunsch, sie aufzuhalten, war so stark, dass Nic schon ins Wohnzimmer ging, bevor er darüber nachdenken konnte. Er reagierte völlig übertrieben! Wenn Serena nach Hause musste, dann war es eben so. Warum sollte sie ihn in irgendein Problem, das ihre Familie betraf, mit einbeziehen? So nahe standen sie sich schließlich noch nicht, dass man sich gegenseitig die persönlichsten Probleme anvertraute.
Was die Frage aufwarf, wie vertraut er mit Serena Fleming werden wollte? Er hatte zwei ernstere Beziehungen hinter sich, auch wenn das schon einige Jahre her war. Beide waren in die Brüche gegangen, weil ihm und den jeweiligen Partnerinnen letztendlich die berufliche Karriere wichtiger gewesen und von der ursprünglichen Gemeinsamkeit nichts übrig geblieben war. Diejenigen seiner Freunde, die im Lauf der Jahre geheiratet hatten, waren inzwischen längst wieder geschieden. Ja, eigentlich waren seine Schwester und Ward das einzige Beispiel für eine Ehe in seinem Bekanntenkreis, die dem Alltag standgehalten hatte.
Ihm war klar, dass seine Ansichten, was „Liebe“ betraf, immer zynischer wurden. Seine verheirateten Cousins beispielsweise hatten das getan, was er als den „italienischen Weg“ bezeichnete: die Ehe als Möglichkeit zu nutzen, vorteilhafte Beziehungen zu anderen einflussreichen Familien zu knüpfen, die den Geschäftsinteressen der Morettis dienlich sein konnten. In diesem Sinn hatten seine Eltern ihm im Lauf der Jahre einige interessante
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