Julia Exklusiv Band 0197
reden. Als die Model-Agentur eine telefonische Nachricht hinterließ und anfragte, ob Cleo weitere Aufträge übernehmen wolle, war sie unfähig zurückzurufen. Sie brachte einfach keine Kraft auf, um wieder zu arbeiten, konnte sich für nichts begeistern, lebte in einem sonderbaren Schwebezustand.
Demnächst würde sie sich eine eigene Wohnung suchen müssen oder vielleicht ein kleines Haus. Sie nahm Kontakt zu mehreren Immobilienmaklern auf, doch dann sah sie sich außerstande, die angebotenen Objekte zu besichtigen. Und die ganze Zeit weigerte sie sich, an das einzig Wichtige zu denken, die Frage, warum sie Maxim ohne Abschied verlassen hatte. Aber was hätte sie sonst tun sollen? Nachdem sie mit ihrem eigenen Leben nicht zurechtkam, durfte sie nicht auch noch seines zerstören.
Die restliche Woche schleppte sich dahin, ein unausgefüllter Tag folgte dem anderen. Ihr Vater hatte nur Augen für Laura, schien nicht zu sehen, wie bleich und lustlos Cleo war. Das kränkte sie eine Zeit lang, weil sie an seine ungeteilte Aufmerksamkeit gewöhnt war. Dann straffte sie sich und beschloss, sich damit abzufinden. Von jetzt an gehörte er nicht mehr ihr allein.
Am Wochenende stand sie spät auf. Mit jedem Morgen fiel ihr das Aufstehen schwerer. Sie schlüpfte in einen Morgenmantel und ging gerade bedrückt die Stufen hinunter, als es an der Haustür klopfte.
Da ihr Vater den Besucher hereinließ, blieb sie zögernd auf der Treppe stehen. Einem Fremden wollte sie sich keinesfalls so zeigen – nicht richtig angezogen, das Haar zerzaust nach einer weiteren ruhelosen Nacht. Und dann begann sie, am ganzen Körper zu zittern, denn sie hörte eine nur allzu vertraute Stimme.
„Ich möchte Cleo sprechen“, erklärte Maxim ohne Umschweife.
„Und wer sind Sie?“, erkundigte sich ihr Vater höflich.
„Maxim Brenner. Ich bringe Ihnen das Portrait, das Sie in Auftrag gegeben haben, Mr. Rossiter. Und dafür will ich das Original haben.“
„Kommen Sie doch herein“, sagte ihr Vater leicht verwirrt. „Ich fürchte, Cleo ist noch nicht auf.“
„Doch!“, rief sie mit unsicherer Stimme und hielt sich am Treppengeländer fest, weil ihre Knie plötzlich weich wurden. Aber irgendwie gelang es ihr, die restlichen Stufen hinunterzugehen, und dann sah sie Maxim in der Halle stehen. Er wandte sich zu ihr um, und sein durchdringender Blick nahm ihr fast den Atem.
„Zieh dich an!“, befahl er. „Wir fahren sofort los. Bevor William und Alice aus der Schule zurückkommen, muss ich wieder zu Hause sein.“
„Ich … ich kann dich nicht begleiten“, sagte sie stockend.
„Jedenfalls solltest du dich anziehen“, meinte ihr Vater. „Alles andere werden wir danach besprechen. Würden Sie im Salon warten, Mr. Brenner. Zeigen Sie mir das Portrait, und meine Haushälterin wird Ihnen Kaffee servieren.“
Cleo ging die Treppe hinauf. Ihre Beine weigerten sich immer noch, richtig zu funktionieren. Leicht benommen duschte sie, bürstete ihr Haar, schlüpfte in Jeans und einen Pullover, dann sah sie ihr Spiegelbild an. Große, ungläubig blickende Augen schauten ihr entgegen. Maxim war hier? In ihrem Haus? Und er wollte sie mitnehmen? Immer noch verwirrt, ging sie in den Salon hinunter.
Die beiden Männer tranken Kaffee. An einer Wand lehnte das Gemälde, und Cleo betrachtete es. Auf diesem Bild sah sie sehr jung und verletzlich aus, schön auf unberührte Weise, keineswegs das glamouröse Model, das auf so vielen Titelseiten lächelte.
„Nicht ganz das Portrait, das ich erwartet hatte“, bemerkte ihr Vater. „Aber es gefällt mir. Mr. Brenner fing etwas von deinem Wesen sein, das ich nie zuvor an dir bemerkt hatte. Ich wünschte, er hätte deine Mutter gemalt. Die Frau auf dem Gemälde sieht ihr zwar ähnlich, verrät aber nichts von ihrem Geist und Charakter.“ Er stellte seine Tasse ab und musterte Cleo prüfend. „Übrigens ist Mr. Brenner fest entschlossen, dich mitzunehmen. Was hältst du davon?“
„Natürlich bleibe ich hier.“
„Das solltest du dir noch mal überlegen“, schlug ihr Vater vor, dann schaute er auf seine Uhr. „In einer Viertelstunde treffe ich Laura. Ich lasse euch beide jetzt allein, dann könnt ihr in Ruhe alles bereden. Falls du beschließt, mit Mr. Brenner zu fahren, ruf mich später an, Cleo.“
Entsetzt fragte sie: „Du lässt mich mit einem Mann gehen, den du gar nicht kennst? Einfach so?“
„Ich kenne dich, Cleo. Und ich weiß, wie elend dir in diesen letzten Tagen zumute war.
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