Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
Großonkels. Mit stoischer Miene hatte er unter der heißen Sonne Griechenlands die erste Hand voll Erde auf den Sarg geworfen.
Rachel blieb neben Sebastian stehen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte und ob sie überhaupt etwas sagen sollte. Seine Familie hatte ihre Mutter verachtet, und an diesem Tag waren viele geringschätzige Blicke auf Rachel gerichtet worden. Zweifellos ist sie aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ihre Mutter, besagten sie. Es tat Rachel immer noch weh, egal, wie oft ihr das schon passiert war. Nur Sebastian hatte sie anders behandelt, er hatte seine Abneigung gegen Andrea Demakis nie auf ihre Tochter übertragen. Er war immer nett zu Rachel gewesen, hatte sich niemals über ihre Schüchternheit lustig gemacht und sie sogar beschützt.
Er hatte seinen Großonkel überzeugt, Rachels Studium zu finanzieren. Aber würde Sebastian weiterhin so tolerant sein? Schließlich wussten alle, warum der ältere Mann tot war. Er hatte die falsche Frau geheiratet. In den vergangenen Jahren war er sicher dem Tod einige Male nahe gewesen, denn Andrea hatte ihn zu sportlichen Heldentaten angestachelt, die er besser wesentlich jüngeren Männern überlassen hätte. Aber dabei war er nicht gestorben, sondern bei einem Autounfall umgekommen. Nach einer weiteren schrecklichen Auseinandersetzung mit Andrea war er angetrunken und gestresst losgefahren.
Er hatte seine junge Frau mit einem anderen Mann im Bett erwischt … wieder einmal.
Andrea und ihr Mann hatten sich vor Zeugen gestritten und dann die Party verlassen. Und sie waren beide bei dem Autounfall gestorben.
Also was sollte Rachel zu Sebastian Kouros sagen, der um seinen Großonkel trauerte?
Worte konnten den Kummer der vergangenen sechs Jahre nicht ungeschehen machen und den Schmerz über den Verlust des Mannes nicht lindern, der ihm seit seiner Kindheit den Vater ersetzt hatte. Trotzdem musste sie es versuchen.
Sie griff nach seiner Hand. „Sebastian?“
Sebastian Kouros spürte die schlanken Finger an seiner Hand, hörte Rachel zögernd seinen Namen sagen und kämpfte gegen den Wunsch an, seine Wut auf eine tote Frau an ihrer Tochter auszulassen. „Was ist, Kleines?“ Der Kosename rutschte ihm einfach heraus, obwohl er keineswegs Zärtlichkeit für sie empfand. Aber Rachel war wirklich relativ klein – ein Meter dreiundsechzig gegenüber seinen eins neunzig. Er war dem Beispiel seines Großonkels gefolgt und nannte sie so, seit er sie kennengelernt hatte.
„Du wirst ihn vermissen. Es tut mir leid.“
Ihre sanfte Stimme berührte ihn sehr. Das durfte er jedoch nicht zulassen, um die mühsam bewahrte Fassung nicht zu verlieren. Er blickte Rachel an, sah aber nur kastanienbraunes Haar, das zu einem konservativen Zopf geflochten war. Sie hatte das Gesicht abgewandt. „Mir auch.“
Jetzt erwiderte sie seinen Blick. „Er hätte Andrea niemals heiraten sollen.“
„Durch die Heirat hat sich doch dein Leben auch verändert, oder?“
Rachel errötete. „Zum Besseren, ja. Das kann ich nicht bestreiten.“
„Dennoch hast du es vorgezogen, in den Vereinigten Staaten einen Job anzunehmen und nur für einige Wochen im Jahr nach Griechenland zu kommen.“
„Ich habe nicht in das Leben gepasst, das die beiden geführt haben.“
„Hast du es versucht?“, fragte Sebastian kalt.
Sein Ton verwirrte sie. „Ich wollte nicht. Andreas hektisches gesellschaftliches Leben hat mir nie gefallen.“
„Matthias hat so viel für dich getan. Hast du nie daran gedacht, auf deine Mutter einzuwirken und ihr vor Augen zu führen, welche Auswirkungen ihr egoistisches Verhalten auf meinen Großonkel hatte?“
Rachel ließ Sebastians Hand los. „Man kann nicht das Leben eines anderen Menschen für ihn führen.“
Im Grunde wusste er, dass Rachel recht hatte. Ihm war es nicht gelungen, seinen Großonkel davon abzuhalten, die verhängnisvolle Ehe einzugehen. Aber für logische Gedanken war in seiner Trauer kein Platz.
„Du hast von der Heirat profitiert. Zumindest hättest du versuchen können, Andrea zu mäßigen.“
„Ich hätte nichts tun können!“, erwiderte Rachel energisch.
Aber ihre schuldbewusste Miene verriet, dass sie sich ebenfalls fragte, ob sie hätte verhindern können, dass es durch Andreas Benehmen mit Matthias stetig bergab gegangen war.
„Vielleicht wolltest du es gar nicht versuchen.“
Sie zuckte zusammen. „Ich hatte es schon vor langer Zeit aufgegeben, Andrea in irgendeiner Weise zu beeinflussen.“
Sebastian sah ihr an,
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