Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
wie verletzt und unglücklich sie war. Plötzlich verspürte er den völlig unpassenden Wunsch, sie zu küssen, bis sich in ihrem Blick süße Leidenschaft spiegelte anstatt des Kummers über die Vergangenheit.
Verdammt. Seine Trauer sollte keinen Raum lassen für diese unerklärliche Sehnsucht. Jedes Mal wenn er in die Nähe der schönen, aber reservierten Rachel kam, packte ihn dieses erschreckende Begehren. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass er Rachel so sehr begehrte, obwohl er ihre Mutter zutiefst verachtet hatte.
Eigentlich müsste er Rachel genauso verachten wie ihre egoistische, skrupellose Mutter.
Rachel war beklommen zumute, als sie in das Arbeitszimmer ging, das Matthias Demakis’ Reich gewesen war. In der großen Villa auf der griechischen Insel, die der Familie gehörte, war es der einzige Raum, den Andrea nicht neu eingerichtet hatte. In diesem Zimmer mit den roten Polstersesseln und der dunklen Holztäfelung war Rachel zwei Mal sehr glücklich gewesen, zum ersten Mal an dem Abend, als Matthias ihr gesagt hatte, sie brauche nicht länger an den Partys ihrer Mutter teilzunehmen, und zum zweiten Mal an dem Morgen, als der ältere Mann sie darüber informiert hatte, dass er sie zum Studium nach Amerika schicken würde.
Rachel war zur Verlesung der Testamente nach unten gerufen worden. Seit ihrem Gespräch mit Sebastian am Vortag hatte sie die meiste Zeit in ihrem Zimmer verbracht. Die Familien Kouros und Demakis hielten sich in der Villa auf, und Rachel hatte keine Lust, den Sündenbock für ihre Trauer und ihren gerechtfertigten Zorn abzugeben. Sie war nicht diejenige, die Matthias Demakis’ Leben zerstört hatte.
Ihr vorzuwerfen, dass sie nicht versucht hatte, ihre Mutter zu mäßigen, war lächerlich, aber Rachel hatte über Sebastians Anschuldigung nicht lachen können. Er machte sie für die Missetaten ihrer Mutter verantwortlich, und das tat weh.
Sebastian war der einzige Mann auf der Welt, den Rachel jemals sexuell begehrt hatte. Sie hatte ihm so sehr vertraut, dass sie mit ihm schwimmen gegangen war und spätabends allein mit ihm auf einem Balkon der alten Villa gesessen und geredet hatte. Doch er hasste sie. Der Tod ihrer Mutter hatte Rachel nicht hart getroffen, sie litt jedoch Seelenqualen, weil Sebastian für sie nun unerreichbar war.
Sie hatte dreiundzwanzig Jahre lang den Preis dafür bezahlt, Andreas Tochter zu sein. Musste sie ihn nach dem Tod ihrer Mutter weiterhin zahlen?
„Miss Long, nehmen Sie bitte Platz.“ Der weißhaarige Anwalt hatte jahrzehntelang für Matthias gearbeitet und strahlte noch immer eine bewundernswerte Vitalität aus.
Genauso viel Vitalität hatte Matthias ausgestrahlt, ehe er eine fünfundzwanzig Jahre jüngere Frau geheiratet hatte.
Rachel ging zu dem kleinen Sofa im hinteren Teil des Raums. Sie setzte sich und strich nervös über ihre weite helle Hose.
Phillippa Kouros, Sebastians Mutter und Matthias’ Nichte, kam herein und setzte sich neben ihren Sohn. Obwohl Sebastian mit dem Rücken zu ihr saß, konnte Rachel erkennen, dass er sich besorgt um seine Mutter kümmerte, bevor er den Anwalt ansah und ihm die Erlaubnis gab anzufangen.
Er verlas zuerst Andreas Testament. Sie hatte alles ihrem Ehemann hinterlassen. Falls er vor ihr starb, sollte ihr gesamter Besitz an Rachel gehen. Die Reihenfolge überraschte sie nicht. Andrea hatte nicht damit gerechnet, dass Matthias sie überlebte. Zweifellos hatte sie ihm mit der Verfügung nur beweisen wollen, dass sie ihn mehr liebte als ihre Tochter.
Matthias Demakis’ Testament war jedoch eine Überraschung. Er hatte zwar einige Dinge mit Erinnerungswert Mitgliedern seiner Familie und Rachel hinterlassen, aber Sebastian erbte den Großteil seines Vermögens einschließlich der Villa. Matthias hatte überhaupt keine Vorkehrungen für seine jüngere Frau getroffen und auch keine Anweisungen erteilt, dass Sebastian für die Witwe sorgen sollte. Da Matthias gewusst hatte, was seine Verwandten von Andrea hielten, war dieses Versäumnis nach Rachels Meinung sehr aufschlussreich. Offensichtlich hatte sich Matthias über seine Frau keine Illusionen mehr gemacht.
Der Anwalt legte das Dokument hin und sah Rachel an. Prompt sahen auch alle anderen sie an. „Bei der Untersuchung des Unfallhergangs hat man nicht feststellen können, wer von den beiden zuerst tot war.“ Er blickte von Rachel zu Sebastian. „Ich bin jedoch sicher, die Familie wird nichts dagegen haben, dass Sie die persönlichen Habseligkeiten Ihrer
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