Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
ihn ohne Dione gefunden hatte, besagte noch gar nichts. Andererseits machte er nicht den Eindruck, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Sicher, er war überrascht gewesen. Aber das war auch alles.
Sie ging ins Wohnzimmer, zog ihre Jacke aus und rief den Zimmerservice an. Für Ross bestellte sie ein englisches Frühstück, für sich nur Toast. Dabei spürte sie förmlich die unausgesprochene Frage am anderen Ende der Leitung. Offenbar hatte sich noch nicht herumgesprochen, dass die Frau des Chefs angekommen war.
Er kam in gebügelten Anzughosen und einem frischen weißen Hemd aus dem Schlafzimmer. Die silbergraue Krawatte baumelte ungebunden um seinen Hals. Noch immer war Gina unsicher, wie sie sich verhalten sollte.
„Sag nichts, ich weiß, dass es ein Fehler war, dich zu überfallen.“
Er lächelte kurz. „Es gibt Schlimmeres. Man sieht dir übrigens den nächtlichen Flug kaum an.“
„Ein Vorteil der Frauen ist, dass sie Verwüstungen mit Make-up übertünchen können“, scherzte sie. „Ehrlich gesagt finde ich die Flüge in der ersten Klasse nicht sehr strapaziös.“
Es klopfte an der Tür. Während der Servierwagen hereingerollt und anschließend der Tisch gedeckt wurde, schwieg sie, lächelte dem unsicheren Kellner aber freundlich zu.
„Wahrscheinlich fragt er sich, warum ich um diese Uhrzeit aufgetaucht bin“, sagte sie, als sie wieder allein waren.
„Das weiß ich ehrlich gesagt auch noch nicht so genau“, gab Ross zu. „Aber nun bist du da, und das ist gut. Um neun muss ich allerdings bei der Sitzung sein. Ich werde mich kaum um dich kümmern können, wahrscheinlich wird es wieder spät.“
Dass er wirklich Verhandlungen führt, macht es noch unwahrscheinlicher, dass er den Aufenthalt für ein Stelldichein genutzt hat, dachte sie beschämt. Niemals durfte er den wahren Grund für ihr Kommen erfahren. Denn ihre Eifersucht hätte ihre wahren Gefühle für ihn verraten.
Betont munter setzte sie sich an den Tisch und bestrich ein Toast mit Butter. Er nahm sich von den Rühreiern. Was für schöne Hände er hat, dachte sie sehnsüchtig.
„Bist du etwa ohne Gepäck gekommen?“, fragte er und sah sich um.
„Ja.“ Sie zwang sich zu einem Lachen. „Wie ich schon sagte, es war ein spontaner Entschluss. Ich kann doch hier kaufen, was ich brauche.“
Verständnislos schüttelte Ross den Kopf. „Weiß meine Mutter, dass du hier bist?“, erkundigte er sich.
„Nein“, gab sie zu. Und dann fiel ihr ein, dass auch die Haushälterin und der Chauffeur nicht Bescheid wussten. Wahrscheinlich nahmen sie an, dass sie bei Elinor übernachtet hatte. Aber wenn sie heute nicht auftauchte, würden sie sicher Erkundigungen einziehen. Und ihre Schwiegermutter würde sich wegen ihres Verschwindens Sorgen machen.
„Ruf sie bitte an, bevor sie eine Vermisstenanzeige aufgibt“, sagte er trocken. Prüfend sah er ihr ins Gesicht. Offenbar lag ihm etwas auf der Zunge. Aber dann besann er sich anders und stand auf. „Wir sprechen später darüber.“
„Worüber?“
„Die ganze Angelegenheit.“ Dabei hörte er sich sehr müde an.
Auf dem Stuhl, auf den sie ihre Handtasche gestellt hatte, lag auch seine Brieftasche. Während er sie einsteckte, wurde ihr bewusst, dass sie mit ihrer überstürzten Handlung vielleicht den Anfang vom Ende eingeleitet hatte. Denn ganz offensichtlich ging sie ihm auf die Nerven. Außerdem hatte sie allmählich keine Kraft mehr, dieses Spiel aufrechtzuerhalten. Dafür liebte sie ihn einfach zu sehr.
Beim Gehen stieß er aus Versehen gegen ihre Tasche, die umkippte, wobei ihr gesamter Inhalt auf den Boden fiel. Ross kniete nieder, um alles einzusammeln. Dabei erregte das zerknitterte Fax seine Aufmerksamkeit. Er hielt inne. Als er sich wieder aufrichtete, machte sie sich auf alles gefasst.
„Wo kommt das denn her?“, fragte er und zeigte auf das kompromittierende Papier.
„Es wurde mir gestern ins Haus geschickt“, antwortete sie tonlos. „Ich weiß nicht, von wem.“
„Ich schon, aber derjenige muss warten. Jedenfalls hast du es als Beweis angesehen, dass ich mich mit Dione treffe?“
Hilflos breitete Gina die Arme aus. „Ja.“
„Wie lange vermutest du schon, dass sie noch meine Geliebte ist?“
Vollkommen verunsichert sah sie ihn an. Etwas in seinem Tonfall und Gesichtsausdruck irritierte sie. „Ich fürchte, die ganze Zeit schon.“
„Und warum hast du mich nicht einfach gefragt?“
„Wir hatten doch ausgemacht, dass jeder so leben kann, wie er
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