Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
hätte Rachel ihre Mutter in dem Versuch unterstützt, mehr Geld von dem Mann zu bekommen, der in seiner Ehe mit ihr schon viel zu viel bezahlt hatte.
Die übrigen E-Mails waren langweilig, und Rachel überflog sie nur. Danach erkundete sie weiter die Wohnung. Auf der anderen Seite des Flurs fand sie Sebastians Schlafzimmer. Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass es das Zimmer eines Mannes war, und Rachel konnte Sebastians Präsenz inmitten der schokoladenbraunen und vanillefarbenen Einrichtung fast spüren.
Rachel entdeckte ihre Koffer im Zimmer daneben. Es wirkte ausgesprochen feminin. Mit den weißen Möbeln und hellblauen und pfirsichfarbenen Dekorationsstoffen hob es sich deutlich von den anderen Räumen ab. Hatte Sebastian das Zimmer für seine Geliebten einrichten lassen?
Aber nein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass er Frauen über Nacht einlud, die nicht in seinem Bett schlafen wollten. Vielleicht hatte er das Zimmer extra für die Besuche seiner Mutter so ausgestattet. Das entsprach eher seinem Charakter.
Offensichtlich respektierte Sebastian Rachels Recht, selbst zu entscheiden, ob und wann sie eine sexuelle Beziehung begannen. Sonst hätte er nicht angeordnet, dass ihr Gepäck hierher gebracht wurde. Er setzte nicht einfach voraus, dass sie sofort mit ihm schlief. Dafür war Rachel ihm dankbar. Sie wusste jedoch, dass sie nicht lange in dem schönen Gästezimmer schlafen würde, wenn sie mehr als einige Tage in Sebastians Wohnung blieb.
Sebastian rieb sich die Augen und lehnte sich in seinem Chefsessel zurück. Es war ein langer Tag gewesen mit einer ermüdenden Besprechung nach der anderen. Mit den Geschäftsleuten aus China, die völlig überraschend erschienen waren, hatte er sehr behutsam umgehen müssen. Bei den Gesprächen hatte er sich sehr konzentrieren müssen. Er hatte fast den halben Tag gebraucht, um herauszufinden, was die Chinesen überhaupt wollten. Den Rest der Zeit hatte er damit verbracht, darauf zu achten, dass er keine Zugeständnisse machte, die für sein Unternehmen nachteilig waren.
Nach Hause zu fahren und Rachel zu sehen war ein sehr verlockender Gedanke. Sebastian zwang sich jedoch, vorher noch seine persönliche Post durchzusehen. In dem Eingangskorb lagen nur wenige Briefe, aber einige davon waren über eine Woche alt. Er war viel länger weg gewesen, als er ursprünglich geplant hatte. Natürlich hatte er sich auch auf der Insel um geschäftliche Dinge gekümmert. Allerdings hatte er seine Sekretärin beauftragt, ihm seine persönliche Korrespondenz nicht nachzusenden. Später hatte er vergessen, diese Anordnung rückgängig zu machen. Warum eigentlich?
Weil er sich auf die verwirrende Frau konzentriert hatte, die jetzt in seiner Wohnung auf ihn wartete.
Er hatte sie an diesem Nachmittag zwei Mal angerufen und kam sich vor wie ein liebeskranker Schuljunge. Rachel hatte reagiert, als würde sie sich wirklich freuen, dass er sich meldete. Wahrscheinlich hörte sie schon die Hochzeitsglocken läuten.
Daran war er selbst schuld. Er sollte Rachel nicht ermutigen zu glauben, ihre Beziehung sei für ihn etwas Besonderes. Zur Heirat war er nicht bereit, und eine emotionale Bindung kam in seiner Lebensplanung nicht vor. Fast wäre er diesen Weg einmal gegangen mit einer Frau, die Andrea Demakis sehr ähnlich gewesen war. Aber er hatte sie rechtzeitig durchschaut und für seine Dummheit nur Lehrgeld zahlen müssen und keinen Unterhalt. Damals hatte er beschlossen, nicht zuzulassen, dass eine Frau die Oberhand über ihn gewann. Die Ehe seines Onkels hatte ihn in seiner Überzeugung noch bestärkt. Sebastian wollte nicht heiraten, und er würde sich ganz bestimmt nicht verlieben.
Einer der Briefe sah aus, als wäre er in Matthias’ Handschrift adressiert. Ich muss wirklich müde sein, denn das kann gar nicht sein, dachte Sebastian. Er schlitzte den Umschlag auf und zog den mehrere Seiten langen Brief heraus, der tatsächlich von seinem Großonkel war. Matthias hatte ihn zwei Tage vor seinem Tod geschrieben.
Dreißig Minuten später saß Sebastian wie betäubt da und versuchte zu verarbeiten, was er gelesen hatte.
Sein Großonkel hatte seine jüngere Frau durchschaut, aber zu spät. Er gab zu, dass es ein schrecklicher Fehler gewesen war, Andrea zu heiraten. Außerdem befürchtete er, nicht mehr lange zu leben, falls sie glaubte, sie würde durch seinen Tod etwas gewinnen. Deshalb hatte er sein Testament geändert und seine habgierige Ehefrau völlig enterbt.
Einen
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