Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
völlig falsches Bild von ihr und war überzeugt, er hätte recht. Aber sie hatte ihn niemals belogen oder getäuscht. „Ich bin nicht wie meine Mutter. Du liebe Zeit, ich bin als Jungfrau zu dir gekommen!“
Sebastian war nicht zu überzeugen. „Deine Jungfräulichkeit war ebenso gespielt wie deine angebliche Liebe.“
Rachel versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen und zu begreifen, was er da sagte. „Bezweifelst du wirklich, dass ich noch unschuldig war?“
„Du hast dich in deinen eigenen Lügen verfangen. Du hast angedeutet, du seist vergewaltigt worden, aber andererseits behauptest du, noch Jungfrau gewesen zu sein. Wie passt das denn zusammen?“
„Ich habe bis gestern Abend noch nie Sex gehabt.“ Mehr wollte sie dazu nicht sagen. Nach allem, was Sebastian ihr an den Kopf geworfen hatte, würde sie jetzt nicht mit ihm über ihr schlimmstes Erlebnis reden.
„Du hast nicht geblutet.“
Und das ist für ihn der Beweis, dass ich sexuelle Erfahrung habe, dachte sie verbittert. Sie hatte mit sechzehn geblutet, in jener schrecklichen Nacht, über die sie mit Sebastian nicht mehr sprechen wollte. „Ich habe mich dir bereitwillig hingegeben, ohne etwas von dir zu erwarten. Zählt das überhaupt nicht?“
„Du hast dich zu billig verkauft.“
Das traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie hatte sich überhaupt nicht verkauft. Wenn Sebastian meinte, sie hätte sich gedankenlos auf ein sexuelles Abenteuer mit ihm eingelassen, dann hatte er überhaupt nichts verstanden. Rachel hatte nie so leben wollen wie ihre Mutter. Sie hatte von einer Hochzeitsnacht geträumt, einem weißen Brautkleid und einem Märchenprinzen. Stattdessen hatte sie sich mit dem Prinzen ohne das Drum und Dran begnügt, weil sie ihn so sehr geliebt hatte.
Und sie hatte gehofft, dass er ihre Liebe als das begreifen würde, was sie war, und das Geschenk, das sie ihm damit machte, zu schätzen wüsste. Wie dumm und naiv war sie doch gewesen.
„Hast du sonst nichts mehr zu sagen?“, fragte Sebastian.
Rachel schüttelte den Kopf. Ihr tat das Herz so weh, dass sie überlegte, ob seelischer Schmerz einen Infarkt auslösen konnte.
Sekundenlang stand Sebastian da und blickte sie angespannt an. Schließlich drehte er sich um und verließ das Schlafzimmer.
Rachel setzte sich hin, sie fühlte sich vor Schmerz wie versteinert. Eine undurchdringliche Mauer bildete sich um jene Gefühle, denen sie nie wieder nachzugeben wagen würde.
Es dauerte lange, bis sie imstande war, aufzustehen und sich auf den Beinen zu halten. Sie streifte den Bademantel ab, um nichts mehr auf ihrer Haut zu spüren, was Sebastian gehörte. Dann ging sie nackt in ihr eigenes Zimmer und schloss die Tür hinter sich ab. Auf dem Flur hatte sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrgenommen, doch es interessierte sie nicht, ob einer der Angestellten sie gesehen hatte. Nichts war mehr wichtig.
Den Prozess der seelischen Zerstörung, den Andrea vor langer Zeit begonnen hatte, hatte Sebastian vollendet.
Wie dumm von mir, so ein Scheusal wie Sebastian zu lieben, dachte Rachel. So einen Fehler würde sie nicht noch einmal machen. Sie würde nie wieder leiden, weil sie nichts mehr empfinden konnte. Überraschenderweise war sie noch nicht einmal traurig. Sie empfand nichts mehr, gar nichts, und war wie betäubt.
Und das war gut so, denn sie hatte genug von alldem Kummer und Schmerz.
Bevor sie ihre Koffer packte, holte sie die Schachtel mit den Andenken hervor. In der vergangenen Woche hatte Rachel noch einige Erinnerungsstücke hinzugefügt, eine Muschel, die sie am Tag des Angelausflugs am Strand gefunden hatte, eine Blume, die Sebastian auf einem Spaziergang für sie gepflückt hatte. Es waren kleine Aufmerksamkeiten, die sie jetzt nur noch an ihre Rührseligkeit und Dummheit erinnerten. Rachel warf die Schachtel in den Papierkorb, ohne sie noch einmal zu öffnen. Dann rief sie die Fluggesellschaft an und ließ sich auf die Warteliste setzen, um den nächsten freien Platz in einer Maschine zu bekommen. Als Nächstes rief sie ein Taxi, um zum Flughafen zu fahren.
Dreißig Minuten später verließ sie die Wohnung. Durch die angelehnte Tür des Arbeitszimmers war Sebastians Stimme zu hören, aber Rachel verzichtete darauf, sich zu verabschieden. Alles war schon gesagt worden. Sie konnte nur hoffen, dass sie diesen spöttischen Kerl nie wiedersah.
„Wie geht es deinem Gast?“
Sebastian umklammerte das Telefon und atmete tief durch. Als er Rachel zuletzt gesehen hatte, war
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