Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
versucht, im Radio, über Anzeigen in der Zeitung …“
„Ich lebe schon seit vielen Jahren im Ausland. In Neuseeland. Mein Mann hatte keine Ahnung, und ich hätte ihm wohl auch nie etwas erzählt, wenn nicht vor ein paar Monaten etwas passiert wäre, was mich wachgerüttelt hat. Ein Knoten in meiner Brust.“ Sie schüttelte den Kopf, als sie Lucys erschrockene Miene sah. „Es war kein Krebs, aber eine Zeit lang glaubte ich, dass ich sterben müsste, ohne dich jemals wiedergesehen zu haben. Ich habe Michael alles erzählt, und er hat mir dazu geraten, nach Hause zu fahren und meine Mutter zur Rede zu stellen. Ich wollte sie fragen, wohin sie dich gegeben hat, und mich dann auf die Suche nach dir begeben.“
„Wohin sie mich gegeben hat?“
Ihre Mutter kämpfte mit den Worten. „Sie hat dich mir abgenommen, gleich nach der Geburt, als ich noch im Krankenhaus lag. Sie sagte, sie würde dich zu einem gottesfürchtigen Ehepaar bringen, das selbst keine Kinder bekommen konnte und das dich adoptieren werde. Dass es am besten für alle Beteiligten sei, wenn ich dich nie wiedersehe.“ Tränen strömten über ihre Wangen. „Alle haben gesagt, dass es so am besten sei.“
„Aber das hat sie nicht getan“, sagte Lucy. „Sie hat mich selbst aufgezogen.“
„Sie hat dich behalten?“ Ihre Mutter presste die Hand auf den Mund. Es schien, als würde sie damit einen Schrei unterdrücken, der schon seit achtundzwanzig Jahren in ihrer Kehle steckte. Nachdem sie sich wieder etwas gefangen hatte, fuhr sie fort: „Ich bin nie zurückgegangen. Ich habe das Krankenhaus verlassen und habe nie wieder einen Fuß in das Haus meiner Eltern gesetzt. Nie wieder wollte ich mit meiner Mutter sprechen, geschweige denn unter einem Dach mit ihr leben. Ich habe ihr niemals verziehen.“
Sie streckte eine Hand nach Lucy aus, brachte es jedoch aus irgendeinem Grund nicht fertig, die Distanz, die zwischen ihnen bestand, vollständig zu überbrücken. Ihre Stimme zitterte. „Wenn ich nur ein Mal zurückgekommen wäre, nur ein Mal. Ich hätte alles ertragen, wenn ich dich dafür hätte sehen können …“
„Mach dir keine Vorwürfe“, sagte Lucy. Sie streckte den Arm aus, doch auch sie schreckte im letzten Augenblick vor einer Berührung zurück. „Bitte, Mum.“
Und dann lagen sie sich auf einmal in den Armen, ohne dass sie hätten sagen können, wie es dazu gekommen war, und weinten und lachten und hielten sich fest umschlungen.
Lucy erfuhr, dass sie einen wundervollen Stiefvater hatte und eine sechzehnjährige Halbschwester, die Familie, nach der sie sich immer gesehnt hatte. Und sie erkannte, dass es gar nicht so sehr darum ging, sich ein Leben aufzubauen, als vielmehr darum, das Leben zu leben, das einem gegeben worden war. Mit den Menschen zusammen zu sein, die man liebte. Und dass das Risiko, sich zum Narren zu machen, so viel geringer war als die Gefahr, tatsächlich ein Narr zu sein und etwas zu verlieren, was so unendlich kostbar war.
Eines Tages, ungefähr einen Monat, nachdem sie wieder mit ihrer Mutter vereint worden war, griff sie nach ihrem Mobiltelefon und wählte die Nummer der Vereinten Nationen in New York. Dann bat sie die Zentrale, sie mit Scheich Hanif al-Khatib zu verbinden.
Sie wurde in das Vorzimmer zu seiner Sekretärin durchgestellt. „Der Scheich wird heute nicht in sein Büro kommen“, erklärte diese, „soll ich ihm etwas ausrichten?“
Nachdem sie so lange damit gewartet hatte, ihn anzurufen, war die Enttäuschung nun besonders groß. „Sagen Sie ihm einfach, dass ich angerufen habe“, bat Lucy.
Kaum hatte sie aufgelegt, wurde sie in das Büro ihres Vorgesetzten gebeten, und bereits am nächsten Tag befand sie sich in einem Flugzeug nach Paris.
„Hast du heute schon etwas vor?“, erkundigte sich einer ihrer Kollegen einige Tage später, als sie im voll besetzten Aufzug nach unten fuhren.
„Gib’s auf, Jamie“, schaltete sich eine Kollegin ein, „nachdem der Boss sie mit nach Paris genommen hat, gibt Lucy sich nicht mehr mit einfachen Angestellten ab.“
Lucy, die wusste, dass die Albereien nicht bösartig gemeint waren, lächelte nur.
„Ich glaube, sie hat sogar noch größere Absichten“, ließ sich eine weitere Kollegin vernehmen. Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich, und die Gruppe trat nach draußen.
„Noch größer? Wer kann das sein?“
„Ein Scheich.“
Lucy fuhr herum und starrte ihre Kollegin ungläubig an. „Wovon sprichst du?“
„Während du weg warst,
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