Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
erklärte Penny mit einem Blick auf die Flügeltür.
„Und ich habe mich am ersten Tag verspätet.“ Gina lachte.
„Das ist Ihr Privileg.“ Ohne Frage hatte Penny den Trick durchschaut, denn sie versuchte gar nicht erst, ihr Vergnügen daran zu verbergen. „Ich begleite Sie hinein.“
Als Gina den Raum betrat, musterten sie acht Augenpaare. An dem glänzenden Mahagonitisch saßen sechs Männer und zwei Frauen.
Penny nannte Ginas Namen, und prompt sprangen die Herren auf.
„Ach, bitte, bleiben Sie doch sitzen“, wehrte Gina ab.
Während sie zur Stirnseite des Tisches schritt, blieb Ross stehen und beobachtete sie mit unbewegtem Gesicht. Mit dem weißen Hemd unter dem grauen Anzug war er durch und durch Vorstandsvorsitzender. „Du kommst spät“, sagte er leichthin.
„Aber nicht zu spät, hoffe ich.“ Gewinnend lächelte sie in die Runde. „Schrecklich von mir, Sie warten zu lassen. Aber ich wusste einfach nicht, was ich anziehen soll.“ Dann wandte sie sich an Ross. „Wo soll ich mich hinsetzen?“
In seinen Augen blitzte es gefährlich. Wütend zeigte er auf den leeren Platz neben sich. „Hier, wo sonst?“
„Wunderbar.“ Sie setzte sich und schaute interessiert von einem zum anderen. Nur in einem einzigen Gesicht entdeckte sie so etwas wie Wohlwollen. Die Frauen – beide in den Fünfzigern – machten geradezu säuerliche Mienen.
Im Uhrzeigersinn stellte Ross sie den einzelnen Vorstandsmitgliedern vor. Dabei stellte sich heraus, dass ausgerechnet Warren Boxhall der einzige freundliche Mensch unter ihnen zu sein schien. Wesentlich älter als Ross, war er immer noch ein attraktiver Mann. Vor Aufregung vergaß Gina die Namen der anderen sofort wieder.
„Bitte lassen Sie sich durch mich nicht stören“, bat sie betont munter, als die Vorstellung zu Ende war. „Ich werde einfach zuhören und lernen. Aber einen Kaffee könnte ich trotzdem vertragen.“
„Kommt gleich“, sagte Ross unerschütterlich. „Bis dahin werden wir das tun, was du vorgeschlagen hast, nämlich einfach fortfahren.“
In den folgenden Minuten zwang sich Gina, so viel wie möglich von dem aufzunehmen, was verhandelt wurde. Ihr war klar, dass die Führung des Harlow-Unternehmens kein Zuckerschlecken war.
Auch als der Kaffee gebracht wurde, ging die Besprechung ohne Unterbrechung weiter. Obwohl Gina selbst Geschäftsfrau war, konnte sie nicht immer folgen. Neben dem, was hier verhandelt wurde, kam ihr die Leitung der Boutique wie ein Kinderspiel vor.
Während der Sitzung fiel ihr ein, dass sie ihre Partnerin benachrichtigen musste. Jetzt brauchte sie die Einnahmequelle nicht mehr. Es war nur fair, wenn Barbara alles behielt. Viel schwieriger würde es werden, ihren Eltern von der Erbschaft zu erzählen. Den finanziellen Teil würden sie begreifen und akzeptieren. Aber die Heirat? Anders als Elinor wären sie vielleicht über die kurze Dauer der Ehe erleichtert.
Als sie sich wieder auf die Sache konzentrierte, beendete Ross bald darauf die Sitzung. Die Mitglieder der Runde schoben die Stühle zurück, streckten die Beine aus, sprachen leise miteinander oder verließen den Raum. Wahrscheinlich war sie jetzt bei den meisten von ihnen das Hauptgesprächsthema, vermutete Gina.
„Was war das eigentlich für ein Spiel?“, fragte Ross neugierig.
Erstaunt setzte sie eine unschuldige Miene auf. „Wie bitte?“
„Du weißt, wovon ich rede.“ Er sprach mit gesenkter Stimme. „Zuspätkommen, die dumme Blondine mimen.“
„Aber für die hältst du mich doch“, entgegnete sie trocken.
Daraufhin sah er sie mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an. „Falls ich dir vorletzte Nacht diesen Eindruck vermittelt habe, soll mich der Schlag treffen. Ich habe mit dir geschlafen, weil wir es beide wollten. Und wenn wir ehrlich sind, müssten wir zugeben, dass es wieder geschehen wird. Wir müssen uns nicht zurückhalten, nur weil wir heiraten.“
„Doch, das müssen wir. Was aber nicht weiter tragisch ist. Es dürfte dir nicht schwerfallen, deine Bedürfnisse außerhalb der Ehe zu befriedigen. Mir übrigens auch nicht.“
Während sie schwiegen, sah er sie weiterhin mit diesem rätselhaftem Ausdruck an. Dann beugte er sich zu ihr. „Gut, dann sind wir uns ja einig. Ich werde übrigens demnächst nach Vancouver fahren. Du solltest mitkommen.“
„Wozu denn?“
„Das liegt doch auf der Hand. Wenn du wirklich Verantwortung im Geschäft übernehmen willst, brauchst du Einblicke. Das Harlow in Vancouver ist unser neuestes
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