Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie groß der Schock für mich gewesen ist.“
„Ja, das kann ich“, sagte Gina vorsichtig, weil sie nicht wusste, worauf das Ganze hinauslaufen sollte. „Mir ging es genauso, als ich seinen Brief bekommen habe. Ich wusste ja überhaupt nicht, aus was für einer Familie ich komme.“
„Es muss schwer für dich sein, deine leibliche Mutter nicht gekannt zu haben.“
„Ich hätte sie wirklich gerne kennengelernt“, gab Gina zu. „Aber wenigstens habe ich meinen Großvater noch gesprochen. Zwar nur kurz, aber immerhin. Es tut mir leid, wie sich die Dinge entwickelt haben. Damit habe ich nicht gerechnet.“
„Wahrscheinlich fragst du dich, warum Dad mir so wenig hinterlassen hat.“
„Das geht mich eigentlich nichts an“, wehrte Gina ab.
„Er mochte einige meiner Freunde nicht und glaubte, dass sie nur mit mir befreundet sind, weil ich eine Harlow bin. Er wollte mir eine Lehre erteilen.“
„Er hat geglaubt, dass sie dich fallen lassen, wenn du nur eine Million auf dem Konto hast?“
„Genau.“ Roxanne seufzte. „Ob sie es tun oder nicht, ist sowieso egal, ich bin am Ende.“
„Hast du Schulden?“, fragte Gina leise.
„Ja, leider. Ich habe eine Fehlinvestition getätigt. Die Leute, von denen ich das Geld dafür geliehen habe, fordern es nun zurück.“
„Sicher werden sie warten, bis du dein Erbe angetreten hast“, beruhigte sie Gina, aber sie war sich nicht sicher.
Doch Roxanne lachte nur bitter. „Ich komme an das Kapital nicht heran. Hast du das schon vergessen?“
Nun begriff Gina, worauf der Besuch abzielte und warum Roxanne so freundlich war. „Wie hoch sind denn deine Schulden eigentlich?“
„Dreihundert“, kam es wie aus der Pistole geschossen.
„Das ist doch gar nicht so schlimm.“
Bei dieser Antwort verzog Roxanne höhnisch den Mund. „Dreihunderttausend, natürlich.“
Das konnte Gina kaum fassen. Allein der Gedanke, so viel Geld zu leihen, war verrückt genug. Es auch noch zu verlieren, empfand sie als Albtraum. Darauf etwas zu erwidern fiel ihr schwer.
„Und jetzt willst du mich um Hilfe bitten?“, fragte sie schließlich.
Entschuldigend breitete Roxanne die Arme aus. „Ich habe sonst niemanden, an den ich mich wenden kann.“
„Und was ist mit deiner Mutter oder Ross?“
Prompt gefror Roxannes Lächeln. „Die möchte ich da lieber raushalten.“
„Ich weiß nicht, was ich da tun kann. Ich verfüge über kein Vermögen, bevor das Testament nicht vollstreckt ist“, erklärte Gina offen.
„Ross wird umgehend ein Konto für dich eröffnen“, versicherte Roxanne eifrig. „Ich wäre dir ewig dankbar.“
Wahrscheinlich nur bis zur nächsten finanziellen Patsche, dachte Gina bitter. Selbst wenn sie die Summe aufbringen könnte, würde sie Roxanne damit nur auf die Idee bringen, sie immer wieder anzupumpen.
„Tut mir leid“, antwortete sie.
Innerhalb von einer Sekunde verfinsterte sich Roxannes Gesicht vor Hass. „Das wirst du bereuen. Soviel verspreche ich dir.“ Damit drehte sie sich um und schlug krachend die Tür hinter sich zu.
Mit weichen Knien ließ Gina sich auf den nächsten Stuhl fallen. Alle Achtung, die Adoptivkinder ihres Großvaters hatten es in sich! Sie schwor sich, auch Ross künftig die Stirn zu bieten.
Weil die Vorstandssitzung sie sehr beunruhigte, hatte Gina schlecht geschlafen. Immer wieder war sie versucht gewesen, das Handtuch zu werfen und einfach abzureisen. Aber dann hatte sie sich zur Vernunft gerufen. Auch wenn Geld nicht alles war, wollte sie sich wenigstens zusammennehmen und nicht feige davonlaufen.
Am Morgen hatte sie absichtlich getrödelt, um nicht brav und pünktlich zu erscheinen. Stattdessen inszenierte sie einen Auftritt. Erst um fünf nach zehn hielt die Limousine vor dem Firmengebäude. Als Gina die hochhackigen sandfarbenen Wildlederpumps auf den Boden setzte und den Rock ihres hellen Kostüms glatt strich, fühlte sie sich selbstsicher genug, um in die Empfangshalle zu treten, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
Offenbar war der Mann an der Rezeption auf ihr Kommen vorbereitet. Er führte sie zu dem Fahrstuhl in die Chefetage. Dort wurde sie von Ross’ Sekretärin empfangen. „Penny, nicht wahr?“, fragte Gina.
Lächelnd nickte die Frau. „Stimmt genau, Penny Loxley. Schön, Sie wiederzusehen, Miss Saxton.“
Gina erwiderte das Lächeln. „Ich heiße Virginia. Bitte nennen Sie mich doch Gina.“
„Gern. Die anderen sind alle schon da“,
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