Julia Extra 0353
Am liebsten hätte er ihr sein Jackett angeboten, aber diese Geste wäre wohl zu intim gewesen. Stattdessen reichte er ihr eine Decke, die auf dem Sofa lag.
„Aber es wurde nicht besser zwischen euch, nicht wahr?“, fragte Jennie, nachdem sie sich mit der Decke über den Schultern auf einem Stuhl niedergelassen hatte.
„Nein, im Gegenteil. Alles wurde noch schlimmer“, erwiderte er düster. „Kurz danach veränderte sie sich dann völlig. Ich fand heraus, dass sie nicht mehr zur Therapie ging, und ihre neuen Freunde gefielen mir auch nicht besonders. Sie liebten Partys und Drogen, und ich hatte das Gefühl, dass sie einen schlechten Einfluss auf Becky hatten. Leider behielt ich recht – sie wurde wieder süchtig!“
Erschrocken schlug sich Jennie die Hand vor den Mund. „Oh, Alex! Das ist ja furchtbar!“
Alex war am Boden zerstört gewesen, als er es erfuhr. Wie hatte sie nur so schwach sein können? Und warum hatte sie sich ihm nicht anvertraut? Gemeinsam hätten sie die Sucht besiegen können, dessen war er sich ganz sicher.
„Was hast du gemacht?“
Er zuckte die Achseln. „Ich habe sie zur Rede gestellt.“
„Hat es geholfen?“
„Im Gegenteil – es führte zum schlimmsten Streit in unserer Ehe. Sie explodierte förmlich und schleuderte mir all das Gift entgegen, das sich in der ganzen Zeit in ihr angesammelt haben musste. Vielleicht hatte sie ja auch etwas genommen. Jedenfalls war sie vollkommen außer sich und gab mir die Schuld an allem – sogar an der Tatsache, dass sie immer noch nicht schwanger war. Höhnisch bemerkte sie, dass ich anscheinend nicht einmal genug Manneskraft hätte, um ein Kind zu zeugen, und sie sich deshalb wohl anderweitig nach jemandem umsehen müsste.“
Es fiel Alex nicht leicht, Jennie all dies zu erzählen. Selbst nach so langer Zeit meinte er, diesen Dolchstoß noch zu spüren.
„Hat sie ihre Drohung wahr gemacht?“
„Ich weiß es nicht. Damals dachte ich, das sei alles nur heiße Luft. Später jedoch habe ich mich gefragt, ob sie mich nicht schon lange zuvor betrogen hatte.“
Es lag ihm auf der Zunge, ihr die entscheidenden Details zu erzählen. Aber etwas ließ ihn zögern. Vielleicht war es dazu noch zu früh. Gefühlsbetonte Frauen mussten mit Samthandschuhen angefasst werden. Jennies Reaktion war nicht vorherzusehen, und er wollte ihr nicht unnötig Angst machen. Erst musste er noch mehr Erklärungen liefern, damit sie alles besser verstehen konnte.
Jennie sah ihn aufmerksam an. „Wie ging es weiter?“
„Wir stritten stundenlang, bis sie mir schließlich versprach, wieder zur Therapie zu gehen. Und wir beschlossen, einen Neuanfang zu wagen. Aber als ich am nächsten Tag vom Büro nach Hause kam, war sie verschwunden. Und ich glaube kaum, dass das passiert wäre, wenn sie nicht jemand anderes gehabt hätte, bei dem sie Zuflucht suchen konnte.“
„Verschwunden? Einfach so, von einem Tag auf den anderen?“
Alex nickte. „Ja, ihr Auto war weg, sie hatte ihre Kleider mitgenommen und auch das Bankkonto abgeräumt.“
„Aber warum?“ Jennie war fassungslos.
„Darüber habe ich lange nachgedacht“, erwiderte er müde. „Um mich zu bestrafen, glaube ich.“
Noch jetzt fragte Alex sich, wie alles hatte so schieflaufen können. Schließlich hatte er nichts anderes gewollt, als sich um Becky zu kümmern. Vielleicht war es doch seine Schuld gewesen. Offensichtlich hatte er seine Frau zu sehr vernachlässigt, ohne es zu merken.
Jennie war von Anfang an ein gegensätzlicher Typ für ihn gewesen. Nie im Leben wäre es ihm in den Sinn gekommen, dass sie emotional labil sein könnte. Sie machte einen viel zu selbstbewussten und lebensbejahenden Eindruck. Aber inzwischen war er sich nicht mehr sicher, ob er sie nicht ebenfalls falsch eingeschätzt hatte. Wie es schien, hatte er nicht viel aus der Beziehung zu Becky gelernt und wiederholte seine Fehler. Er hätte sich einfach mehr um Jennie kümmern müssen.
Ihre Abreise aus Paris war ein Schock für ihn gewesen. Ein solches Verhalten hätte er ihr nie zugetraut. Es kam ihm vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er in der Hotelhalle stand und die niederschmetternde Nachricht verarbeiten musste. Seine neue Ehefrau war verschwunden, genauso wie die erste. Für einen erfolgreichen Mann wie ihn waren zwei weggelaufene Ehefrauen nicht gerade schmeichelhaft.
Jennie hatte Tränen in den Augen. „Oh, Alex“, sagte sie mit weicher Stimme. „Warum hast du mir denn nichts davon erzählt? Ich
Weitere Kostenlose Bücher