Julia Extra 0353
ich gedacht, dass ich diese Worte einmal von dir hören würde.“
Alex blieb stumm. Er sah, dass sie mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hatte.
„Willst du wissen, warum ich nicht alles stehen und liegen gelassen habe und zu dir geeilt bin, nachdem ich Paris verlassen habe?“
Er nickte. Natürlich wollte er es wissen.
„Weil ich Zeit brauchte. Und weil ich davon ausgegangen war, dass du auch eine Pause brauchtest.“
„Eine Pause wofür?“
„Um zu entscheiden, was du wirklich willst“, fügte sie hinzu, doch er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie nicht „was“, sondern „wen“ sagen wollte.
Plötzlich verstand er. Sie hatte seine Abwesenheit völlig falsch gedeutet und angefangen, an seiner Liebe zu ihr zu zweifeln. Die nächsten Worte bestätigten seine Vermutung.
„Ich … ich dachte, wenn du nicht wiederkommst, bedeutet es, dass du dich für sie und gegen mich entschieden hattest.“ Betreten sah sie zu Boden.
Aber das machte doch gar keinen Sinn! Becky war nicht ein einziges Mal aufgewacht, während er bei ihr im Krankenhaus gewesen war. Das einzige Gefühl, das er für sie empfunden hatte, war die Traurigkeit über ihr kaputtes Leben.
Mit leiser Stimme fuhr Jennie fort: „Je länger du wegbliebst, desto kürzer wurden deine Anrufe, und desto distanzierter wurdest du. Ich hatte das Gefühl, dass du lieber bei ihr warst als bei mir.“
Alex war fassungslos und merkte, wie seine unterdrückte Wut wieder hochkam. Wie konnte Jennie so etwas nur denken? Waren all die Monate ihrer Liebe umsonst gewesen? Kannte sie ihn wirklich so wenig?
Aber auch wenn Jennies Reaktion schwer nachvollziehbar war, war sie wenigstens ehrlich. Seit Wochen grübelte er vor sich hin, und er hatte sich gefragt, ob ihre Abreise ein Zeichen dafür gewesen war, dass sie ihre Eheschließung mit ihm bereute. Doch nun spürte er Erleichterung. Jennie hatte Paris verlassen, weil sie verletzt war, und nicht, weil ihr die Beziehung egal war.
Das veränderte alles. Langsam begann sich der Albtraum der letzten Wochen aufzulösen, und Alex spürte zum ersten Mal wieder, wie es ihm warm ums Herz wurde.
„Das ist nicht wahr, Jennie“, sagte er nachdrücklich. „Natürlich wollte ich lieber bei dir sein.“
Jennies Unterlippe begann zu zittern. Ihre ganze Selbstsicherheit schwand, und sie sah plötzlich jung und verletzlich aus. Alex stellte sich vor, wie sie vermutlich aus dem Hotel aufgebrochen war – mit eilig gepackten Koffern und einer großen Sonnenbrille, um die geschwollenen Augen zu verbergen.
„Es tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, dass du so etwas von mir glauben würdest.“
Jetzt liefen ihr wirklich die Tränen über die Wangen, und sie fing leise zu schluchzen an.
„Danke“, stieß sie hervor und schnäuzte sich geräuschvoll die Nase. Dann lehnte sie sich im Sessel zurück. „Es tut gut, das zu hören, Alex. Aber so ganz verstehe ich es immer noch nicht. Bitte erklär mir, warum dir Becky in dem Moment wichtiger gewesen ist als ich.“
Jennie war selbst überrascht, dass sie endlich den Mut gefunden hatte, ihm diese Frage zu stellen. Denn es war nicht das erste Mal in ihrem Leben, dass ihr so etwas passierte. Obwohl sie von ihrer Familie wirklich nicht vernachlässigt worden war, hatte es für alle doch immer Wichtigeres gegeben, als sich um sie zu kümmern. Bei Jennies fröhlicher Natur wäre nie jemand darauf gekommen, dass sie dies verletzt hätte. Aber es hatte ein Loch in ihrer Seele hinterlassen. Und heute hatte sie zum ersten Mal gewagt, jemanden zu fragen, warum er sie hintangestellt hatte.
Es war seltsam, aber sie hatte immer Angst gehabt, sich zum Narren zu machen, wenn sie sich so öffnete. Doch das Gegenteil war der Fall … sie fühlte sich erleichtert, als wäre ihr ein großes Gewicht von den Schultern genommen worden.
Jetzt begegnete sie seinem Blick.
Alex stellte sein Glas auf den Tisch, stand auf und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.
„Es hat etwas mit Beckys und meiner Geschichte zu tun. Das ist gar nicht so einfach zu erklären.“
„Versuch es einfach.“
Er gab sich Mühe, seine Gedanken zu ordnen. „Meine Kindheit war eigentlich sehr glücklich“, sagte er nachdenklich. Jennie wusste, dass sie sich wohl auf eine längere Geschichte einstellen musste, wenn er so weit in die Vergangenheit zurückging.
„Eines Tages entschlossen sich meine Eltern, ein Mädchen zur Pflege aufzunehmen – einen Teenager.“
Jennie sah ihn mit großen Augen an.
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