Julia Extra 0353
das Richtige hältst …“
„Ich muss gehen, Raoul“, antwortete sie, aber sie sah traurig aus, als wäre sie enttäuscht, dass er gar nicht versuchte, sie zum Bleiben zu überreden.
Vielleicht ist ja noch nicht alles verloren, dachte Raoul.
„Meine Zeit in Venedig war wie ein schöner Traum, aber irgendwann muss ich auch wieder in die Realität zurückkehren.“
„In dem Fall“, erklärte er mit dem Bewusstsein, dass er nur einen einzigen Versuch hatte, „dürfen wir keinen einzigen Augenblick deiner letzten Stunden hier in Venedig vergeuden.“
Raoul hatte ihr Abendkleidung empfohlen, darum entschied Gabriella sich für die goldene Robe, die Natania an ihrem ersten Tag so bewundert hatte.
Sie fuhren mit dem Wassertaxi zum Excelsior , einem Fünfsternehotel auf dem Lido. In diesem ehemaligen Palast hatten schon Könige, Filmstars und andere Berühmtheiten übernachtet.
Gabriella bemühte sich vergeblich, Raoul nicht die ganze Zeit anzustarren. In seinem schwarzen Abendanzug sah er atemberaubend aus. Wie gelassen er akzeptiert hatte, dass sie abreisen wollte. Aber vielleicht hatte er es ja erwartet. Vielleicht sogar gehofft.
Ich bin nicht enttäuscht, sagte sie sich. Seine Reaktion bestätigte nur, dass sie sich richtig entschieden hatte.
Selbst wenn der Gedanke, ihn zu verlassen, höllisch wehtat.
Aber was hatte sie denn erwartet? Dass Raoul sie anflehen würde zu bleiben? Was für eine alberne Idee! Eine gemeinsame Nacht ist nicht automatisch der Anfang einer Beziehung, wusste sie. Philippa hatte recht gehabt, sie brauchte Abstand. Sie tat das Richtige.
Zu den Klängen von Vivaldi und einem spektakulären Ausblick dinierten sie auf der Dachterrasse. Und als sie im goldenen Licht der untergehenden Sonne mit Champagner anstießen, vergaß Gabriella ihre Enttäuschung vollends. Es gab keinen schöneren Ort auf der Welt und keinen Menschen, mit dem sie diesen Moment lieber teilen würde.
Nach dem Essen begann der Pianist, Tanzmusik zu spielen. Raoul stellte sein Glas zurück auf den Tisch und blickte sie auffordernd an.
„Tanz mit mir, Bella!“
Warum nicht? dachte sie. Morgen würde sie abreisen, und es gab keinen Grund, diese letzte Nacht nicht in vollen Zügen zu genießen.
Raoul nahm sie in seine Arme und wirbelte sie so gekonnt über die Tanzfläche, dass es sich fast so anfühlte, als würden sie beide schweben. Gabriella fühlte seine Stärke und seine dunkle Seite, und sie hatte Mühe, beides zu unterscheiden. Genau wie Wirklichkeit und Fantasie. So wollte sie sich an ihn erinnern.
Später wusste sie nicht mehr, ob außer ihnen noch andere Paare auf der Tanzfläche gewesen waren. Raoul hielt sie so eng, dass sie kaum atmen konnte. Sie spürte die Hitze ihrer beiden Körper und die wachsende Spannung, wenn er sie von sich schob, über das Parkett wirbelte und wieder an sich zog.
Würde er sie heute Nacht wieder lieben? Sie wollte jede Empfindung, jeden sinnlichen Moment auskosten, damit sie diesen magischen Abend wenigstens in ihrer Erinnerung immer und immer wieder erleben konnte.
Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren. Sie wusste nur, dass die Sonne längst untergegangen war und der Mond hoch am Himmel stand. Plötzlich fürchtete sie sich vor dem Ende des Abends.
Doch Raoul schob das Ende noch hinaus und schlug einen Spaziergang am Strand vor.
Gabriella schlüpfte aus ihren Sandalen, hob den Saum ihres Kleides und lief barfuß durch den Sand. Raoul bot ihr seine Hand, und sie nahm sie, ohne zu zögern. Nur eine letzte Nacht …
Der lange Strand war fast menschenleer. Das Licht des Vollmonds schimmerte silbern auf dem Sand und der ruhigen See.
Für eine Weile gingen sie Hand in Hand in einträchtigem Schweigen. „Habe ich dir eigentlich schon gesagt“, fragte Raoul, „wie wunderschön du heute Abend aussiehst?“
Ihr Atem stockte, ihr Herz flatterte in der Brust wie ein aufgeschreckter Vogel. „Nein“, erwiderte sie leise. „Ich glaube nicht.“
„Wie nachlässig von mir. Dann sage ich es dir jetzt.“ Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Heute Abend bist du schöner denn je. Schöner als der Sonnenaufgang über der schönsten Stadt der Welt, schöner als der silberne Mond am Himmel.“
In seinen Worten lagen so viel Tiefe und Gefühl, dass Gabriella glaubte, ihr Herz würde vor Glück zerspringen. Aber gleichzeitig wagte sie nicht, ihm zu glauben. „Danke, Raoul, aber ich wünschte, du würdest so etwas nicht sagen.“
„Warum soll ich dir nicht sagen, was ich
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