Julia Extra 0353
wirkte so nervös und distanziert, als hätte sie in den letzten Stunden eine Mauer zwischen ihnen hochgezogen. Er verfluchte seine Idee, nach Paris zu fliegen, anstatt die Dinge hier zu regeln.
Aber er war nicht nur wegen Garbas gefahren, gestand er sich ein. Er hatte Abstand gebraucht. Die Ereignisse der letzten Nacht hatten ihn bis ins Innerste aufgewühlt.
„Du brauchst mir keine Geschenke zu kaufen“, erwiderte er. Du würdest es gar nicht wollen, wenn du wüsstest …
„Es ist nichts Besonderes. Hier!“ Sie streckte ihm das Päckchen entgegen.
Raoul betrachtete es feierlich, bevor er es aus ihren Händen nahm. Er war überrascht, wie sehr ihn die unerwartete Geste berührte.
„Na los, mach es auf“, drängte sie.
Wieder bemerkte er einen Funken ihrer mittlerweile vertrauten Begeisterung. Noch vor wenigen Tagen hatte er ihre unbändige Lebensfreude kaum ertragen können, aber jetzt beglückte ihn das Glitzern in ihren Augen. Es bedeutete, dass sein dunkles Herz ihrer Fröhlichkeit nicht wirklich etwas anhaben konnte.
„Außer du würdest es lieber später öffnen“, ergänzte sie. Plötzlich wirkte sie ein wenig bedrückt.
„Nein.“ Er schüttelte den Kopf und lächelte aufmunternd. Sie durfte nicht traurig sein. Nicht jetzt. Es lagen noch mehr als genug Enttäuschungen vor ihr. Im Stillen verfluchte er sich. Jetzt, wo Garbas wieder auf freiem Fuß war, gab es keinen Weg zurück. „Ich will doch sehen, was du für mich gefunden hast.“
Er löste das Bändchen und wickelte das Papier ab, bis er die kalte, schwere Glaskugel in seiner Handfläche spürte.
„Es ist ein Briefbeschwerer“, erklärte sie unnötigerweise. „Ich dachte, du könntest ihn für dein Arbeitszimmer gebrauchen. Er hat mich an dich erinnert.“
Er hob ihn gegen das Fenster und betrachtete das Spiel von Licht und Dunkel. Die verschiedenen Farbschichten verliefen kunstvoll ineinander, und im Inneren glühte ein rubinrotes Herz. Ein Schauer lief über seinen Rücken. Er erkannte genau, was sie in diesem Briefbeschwerer sah.
Natürlich irrte sie sich.
„Siehst du wirklich immer nur das Gute im Menschen, Bella? Selbst wenn es nichts Gutes zu sehen gibt? Selbst wenn sie etwas von dir wollen, das ihnen nicht zusteht?“ Fragend schaute er sie an.
Gabriella blinzelte verwirrt. „Ich wollte dir nur ein Geschenk machen, Raoul. Es tut mir leid, wenn es dir nicht gefällt. Ich wollte dir einfach etwas geben, das dich an mich erinnert.“
Plötzlich durchfuhr es ihn kalt. „Warum schenkst du mir ein Andenken? Willst du etwa schon wieder abreisen?“
„Ja, ich kann nicht länger bleiben, Raoul. Ich hatte hier eine wundervolle Zeit, wirklich, aber ich weiß, dass ich dir hier im Weg bin. Außerdem wartet meine Arbeit auf mich. Ich kann nun mal nicht für immer hierbleiben.“
Er hatte es ruiniert! Dabei hatte sie ihm doch bereits aus der Hand gefressen! Jetzt fühlte er sich, als würde ihm jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Warum hatte er sie nur verlassen und war nach Paris geflogen?
Er hätte die Sache doch auch von hier aus regeln können. Er hätte seine Kontaktmänner anrufen und ihnen die neuen Hinweise für ihre Ermittlungen telefonisch geben können. Aber Bella war ihm zu nah gekommen, und er war geflohen. Jetzt musste er dafür zahlen. „Wann willst du abreisen?“
„Morgen. Ich habe den Flug schon gebucht. Marco hat mir versprochen, dass er mich zum Flughafen bringt.“
So bald schon!
„Bist du verärgert, Bella, weil ich dich heute allein gelassen habe? Ich wusste, ich hätte nicht ohne Abschied gehen sollen …“
„Nein, Raoul, das ist es nicht allein. Die Zeit hier war eine zauberhafte Ablenkung, aber ich muss zu meinem Leben zurückkehren. Es ist ja bestimmt kein Abschied für immer, oder?“
„Natürlich nicht!“, erwiderte er. Sie durfte unter keinen Umständen nach Paris zurückkehren. Nicht jetzt. Garbas brauchte Geld, und zwar jede Menge, wenn er seinen teuren Anwalt weiterbeschäftigen wollte. Und Gabriellas Erbe war seine einzige Chance gegen die ernsthaften Anklagen.
Seit seiner Entlassung suchte Garbas nach Gabriella. Sobald sie wieder in Paris war, würde er zu ihr gehen, Entschuldigungen finden und sie um Geld für seine Verteidigung bitten.
Das durfte nicht passieren.
Darum konnte er sie nicht gehen lassen.
„Ich finde es bedauerlich, dass du schon abreisen möchtest“, sagte er vorsichtig. Er durfte auf keinen Fall zu dick auftragen. „Aber wenn du das wirklich für
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