Julia Extra 260
gerade einen Entschluss gefasst. „Ich möchte hierbleiben.“
Insgeheim triumphierend sah Theo zu, wie sie sich aufs Sofa setzte. Dann gewannen Schuldgefühle die Oberhand. Miranda hatte einiges mitgemacht. Durch diesen schrecklichen Unfall war ihr ganzes Leben durcheinandergeraten. War es fair, so eine Frau zu heiraten, wenn er nicht einmal wusste, ob er überhaupt zur Liebe fähig war?
Dimitri hatte ihm eingetrichtert, Gefühle zu unterdrücken, weil man es dann im Leben leichter hätte. Theo hatte ihm geglaubt. Selbst als Kind hatte er keine Liebe empfangen, sosehr er sich auch danach gesehnt hatte. Als Erwachsener hatte er gelernt, sich keine Illusionen zu machen. Man wurde ja doch nur enttäuscht.
Theo nahm sich zusammen. Unterm Strich war alles ganz einfach: Er brauchte eine Ehefrau, Miranda einen Beschützer, bis sie sich von dem Unfall erholt hatte und ein neues Leben beginnen konnte. Nimmt sie meinen Heiratsantrag an, dann lege ich ihr die Welt zu Füßen, schwor Theo sich. Und unsere gemeinsamen Kinder werden uns die Liebe geben, die wir uns wünschen.
5. KAPITEL
„Seit ich eins deiner Konzerte besucht habe, Miranda, bin ich dir verfallen“, bemerkte Theo, um das Thema zu wechseln.
„Hast du meine CD?“
„Die Einspielung des Brahms-Konzerts? Nein.“
Es war typisch Miranda, direkt auf den Punkt zu kommen. Jede andere Frau hätte sich geschmeichelt gefühlt und nicht weiter nachgefragt. Doch Miranda ging der Sache auf den Grund. Auf Schmeicheleien gab sie nichts. Theo rettete, was zu retten war. „Eigentlich mache ich mir gar nichts aus Violinkonzerten, aber dich spielen zu hören …“
„Können wir bitte von etwas anderem sprechen, Theo? Wir finden doch sicher noch andere Themen.“
„Klar.“ Allerdings suchte er vergeblich nach einem Gesprächsgegenstand. Das war ihm auch noch nicht passiert, weder geschäftlichnoch privat. Es war gar nicht so einfach, um seine zukünftige Ehefrau zu werben. Er würde sich schnell etwas einfallen lassen müssen.
„Was versprichst du dir davon, Theo?“
Er sah auf. „Wovon redest du?“, fragte er vorsichtig.
„Davon, dass du so nett zu mir bist.“
Er konnte wohl kaum zugeben, dass er am liebsten mit ihr geschlafen hätte, es sich aber anders überlegt hatte, weil er hoffte, von einer Heirat mehr zu profitieren. „Wieso glaubst du, ich würde mir etwas davon versprechen?“, fragte er, um Zeit zu gewinnen. Als sie ihn nur starr ansah, gab er auf. „Also gut, du hast ja recht. Normalerweise bin ich ein besserer Gastgeber, aber heute Abend geht alles schief. Ich wollte es irgendwie wiedergutmachen.“
In diesem Moment klopfte es. Eine Stewardess betrat mit Mirandas frisch gereinigter und gebügelter Garderobe die Suite.
„Danke“, sagte Theo, nahm die Sachen entgegen und machte die Tür hinter der Angestellten wieder zu, bevor er sich Miranda zuwandte. „Du kannst dich in meinem Schlafzimmer oder im Badezimmer umziehen, wenn dir das lieber ist.“
Miranda hielt die Kleidungsstücke hoch. „Die sind ja so gut wie neu. Ich bin wirklich beeindruckt.“
Schön, dass sie sich über Kleinigkeiten freuen konnte. Es gefiel ihm, sie lächeln zu sehen. Das bewies, dass er auf dem richtigen Weg war.
„Du hast wirklich Glück, Theo.“
Das ließ er lieber unkommentiert.
„Ich bin gleich wieder da“, sagte sie und verließ das Wohnzimmer.
Er war kaum dreimal im Zimmer herumgegangen, da stand Miranda auch schon wieder vor ihm.
„Du siehst bezaubernd aus“, sagte er leise. Und das war stark untertrieben. Mit dem offenen Haar und dem schlichten Outfit, das ihre leichte Sonnenbräune hervorhob, sah sie einfach umwerfend aus. „Wollen wir uns dann ins Partygetümmel stürzen?“, fragte er und bot ihr den Arm, damit sie sich bei ihm einhakte.
Einen Moment lang zögerte sie. Das musste der längste Moment in Theos Leben gewesen sein.
„Okay.“ Lächelnd hakte sie sich bei ihm ein. „Auf geht’s.“
Ihr Vertrauen löste erneut Schuldgefühle bei ihm aus. Sie war so rein und liebenswert. Durfte er sie wirklich für seine Geschäftsinteressen ausnutzen? Andererseits musste er die Reederei retten. Zum Glück war Miranda eine intelligente Frau. Sicher würde sie bald einsehen, welche langfristigen Vorteile sein Plan barg. Die Anziehungskraft, die sie beide verband und heiß zwischen ihnen loderte, war ein zusätzlicher Bonus, der es ihnen leichter machen würde.
Sie hatte gar nicht gewusst, wie viel Spaß man mit einem Mann haben konnte.
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