Julia Extra 360
doch praktisch Fremde füreinander. Es wird seine Zeit dauern, bevor wir uns richtig kennenlernen.“
„Findest du sie sympathisch? Ich meine, als Person?“
Gisele dachte an ihre quirlige forsche Zwillingsschwester. Soweit sie bisher herausgefunden hatte, schien Sienna sich mit ihrem impulsiven Wesen schon öfter in Schwierigkeiten gebracht zu haben, aber es war unmöglich, sie nicht zu mögen. „Ja, sie ist bezaubernd – klug und weltgewandt, großzügig und lebenslustig. Die Presse stellt sie völlig falsch dar, als Hedonistin ohne jegliche Moral. Ich glaube nicht, dass sie das ist. Sie ist sogar sehr feinfühlig und versteckt sich nur hinter der Fassade des Partygirls.“
„Ende des Monats habe ich einen Termin mit einem Kunden in London. Du solltest mitkommen“, schlug Emilio vor. „Dann kannst du mich Sienna vorstellen und Zeit mit ihr verbringen, während ich arbeite.“
„Ich würde sie gerne sehen, aber ich möchte ihr nichts über unsere Beziehung vorlügen. Der Presse eine Show zu bieten ist eine Sache, meine Schwester zu belügen eine ganz andere.“
„Vielleicht wird es dann ja keine Show mehr sein, cara .“ Sacht zeichnete er die Konturen ihrer Lippen nach.
Bei der sanften Liebkosung lief Gisele ein Prickeln über den Rücken. Emilio hatte recht – sie kämpfte mehr gegen sich selbst als gegen ihn. Ihre unkontrollierbare Sehnsucht fegte ihre festen Vorsätze wie ein Wirbelsturm hinfort; sie hatte keine wirkliche Chance, Emilio zu widerstehen – nicht solange sie solch widersprüchliche Gefühle für ihn hegte. Sie trat einen Schritt zurück und lächelte flüchtig. „Ich denke, ich sollte jetzt besser zu Bett gehen. Gute Nacht.“
Emilio widersprach nicht, aber auf dem Weg zur Tür fühlte sie seinen brennenden Blick in ihrem Rücken.
6. KAPITEL
Gisele schlug gerade ihr Bett auf, als Emilio in ihr Zimmer kam. Er trug nur einen Bademantel, sein Haar war noch feucht vom Duschen. Entrüstet drehte sie sich um. „Was willst du hier?!“
„Ich gehe schlafen.“ Seelenruhig legte er den Bademantel ab.
Gisele konnte den Blick nicht von ihm reißen – die breite Brust, der Waschbrettbauch, seine stolze Männlichkeit, schon halb erregt. Ihr stockte der Atem, als er die Tür hinter sich abschloss. „Ich sagte doch, dass ich …“
„Und ich sagte, dass wir für einen Monat das Bett teilen werden“, fiel er ihr ins Wort. „Selbst wenn wir keinen Sex haben. Ich werde mich dir nicht aufdrängen, so gut solltest du mich kennen.“
Sie schluckte. Wenn es ihr schon nicht gelang, in diesem großen Haus mit Emilio zusammen zu sein, ohne dass das Verlangen nach ihm ständig in ihr schwelte, wie sollte sie dann mit ihm in einem Bett liegen, ohne schwach zu werden? Sicher, es war ein breites Bett, dennoch würde sich Körperkontakt nicht vermeiden lassen. „Darum geht es nicht …“ Mit der Zunge fuhr sie sich über die Lippen, weil diese jäh staubtrocken waren.
„Worum geht es dann, Gisele? Du scheinst nicht zu wissen, was du willst. Im einen Moment klammerst du dich an mich, als würdest du mich nie wieder loslassen wollen, und im nächsten möchtest du mir am liebsten die Augen auskratzen.“
Gisele hatte wirklich geglaubt, sie hätte ihre Entscheidung getroffen, nur war ihr Körper offensichtlich ganz anderer Meinung. Selbst jetzt sprach er eine unmissverständliche Sprache zu Emilio. In ihrer Hast, die eindeutigen Zeichen zu kaschieren, schwang sie herum und warf dabei das Wasserglas und das Pillenröhrchen, die auf dem Nachttisch gestanden hatten, zu Boden. Das Wasser versickerte im Teppich, das Pillenröhrchen rollte Emilio direkt vor die Füße.
Er bückte sich, um es aufzuheben, las die Aufschrift mit gerunzelter Stirn. „Schlaftabletten? Wozu brauchst du die?“ Er hob den Blick und sah sie durchdringend an.
„Ja und? Viele Leute nehmen Schlaftabletten. Gib sie her.“
Er rührte sich nicht. „Wie lange nimmst du die schon?“
Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Ein paar Wochen, vielleicht auch ein paar Monate …“
„Schlaftabletten machen schnell abhängig, man sollte sie nur für kurze Zeit einnehmen“, hielt er ihr vor.
Sie verdrehte die Augen. „Jetzt hörst du dich genauso an wie mein Arzt!“
Er hielt sie zurück, als sie sich von ihm abwenden wollte. Sorge stand in seinem Blick, als er eindringlich ihr Gesicht musterte. „ Cara … habe ich dir das angetan?“
Gisele dachte an die ersten Wochen nach der Trennung zurück. Sie war in
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