Julia Extra 360
drückende Stille. Emilio lehnte sich zurück und entspannte sich bewusst, Gisele ebenso. Aber die Neugier der Haushälterin war regelrecht greifbar. Wie viel mochte sie wohl mitgehört haben? Concetta war die Verkörperung der Diskretion gewesen, doch wie gut kannte Emilio die neue Angestellte? Beharrte er deshalb darauf, dass sie in einem Zimmer schliefen? Zeitungen zahlten gut für Storys, Marietta könnte es vielleicht ausnutzen, wenn sie Missstimmungen und Gesprächsfetzen aufschnappte …
„Ihr Tee, signorina .“ Marietta stellte die Teekanne vor Gisele hin.
„ Grazie .“ Das Lächeln wollte ihr nicht recht gelingen.
„Ist so weit alles in Ordnung?“ Marietta blieb zögernd am Tisch stehen.
„Ja, natürlich, danke.“ Sobald die Haushälterin sich wieder zurückgezogen hatte, fuhr Emilio sich durchs Haar. „Es war nicht meine Absicht, dich aufzuregen, Gisele“, hob er an. „Für uns beide ist es eine schwierige Zeit. Wir werden uns aneinander gewöhnen und Kompromisse machen müssen. Ich wünsche mir, dass es funktioniert. Ich meine das ernst.“
„Warum?“
Er runzelte die Stirn, als würde sie eine andere Sprache sprechen, die er nicht verstand. „Wir hatten etwas Gutes zwischen uns. Das kannst du nicht bestreiten.“
„Doch, ich bestreite es“, widersprach sie. „Gute Beziehungen bauen auf Vertrauen auf. Ich jedoch musste einen Ehevertrag unterschreiben.“
„Ich habe hart für mein Vermögen gearbeitet und deshalb auch das Recht, meine Interessen zu schützen. Wenn es dich so gestört hat, wieso hast du damals nichts gesagt?“
Gisele wandte das Gesicht ab. Der Gedanke, wie gefügig sie damals gewesen war, machte ihr zu schaffen, es war ihr geradezu peinlich. Als er ihre Unterschrift verlangt hatte, war sie maßlos verletzt gewesen, aber sie hatte ihre Gefühle für sich behalten und den Vertrag mit schwerem Herzen unterschrieben. Und sich gefragt, ob er ihr jemals genug vertrauen würde.
„Gisele?“
Sie griff nach der Kanne und schenkte sich eine Tasse Tee ein. „Können wir das nicht vergessen? Schließlich planen wir ja keine Heirat. Es ist nicht mehr wichtig.“
„Es könnte wichtig werden, falls wir beschließen sollten, uns dauerhaft zu versöhnen.“
Die Tasse klirrte, als Gisele sie viel zu heftig auf dem Unterteller abstellte. „Bist du verrückt? Ich werde niemals jemanden heiraten, der mir nicht genug vertraut und nicht weiß, dass ich ihn nicht betrüge.“
„Liebe und Vertrauen sind zwei verschiedene Dinge“, konterte er.
„Für mich nicht!“
Emilio musterte sie, ohne dass seine Augen verraten hätten, was hinter seiner Stirn vorging. „Du glaubst, du wärst mir nicht wichtig gewesen, cara ?“, fragte er nach einem langen Moment.
Ihr Herz zog sich zusammen. Vielleicht hatte er etwas für sie empfunden, aber das hieß nicht, dass er nicht auch ohne sie leben konnte. Immerhin hatte er die letzten beiden Jahre ohne Probleme hinter sich gebracht. „Wie wichtig war ich dir denn, als du mich auf die Straße gesetzt hast?“
Seine Miene wurde hart. „Ich habe mich geirrt und mich dafür entschuldigt. Was sonst kann ich noch tun? Was erwartest du von mir?“
Dass du mich liebst. „Nichts“, sagte sie und senkte den Blick. „Es gibt nichts, was du tun könntest.“
Über den Tisch griff er nach ihrer Hand. „Wo ist der Verlobungsring?“
Sie sah ihm in die Augen. „Oben. Er passt mir nicht mehr. Ich habe Angst, dass ich ihn verliere.“
„Dann müssen wir ihn anpassen lassen.“ Mit gerunzelter Stirn strich er über ihren Ringfinger.
„Warum hast du ihn eigentlich behalten?“, fragte sie. „Du hättest ihn verkaufen sollen.“
Ohne weiteren Kommentar schob Emilio seinen Stuhl zurück und stand auf. „Ich muss noch einen Anruf machen.“ Seine Stimme klang gepresst. „Der Wagen fährt in zehn Minuten vor. Sei bitte pünktlich.“
„Signor Andreoni lässt ausrichten, dass er Sie zum Lunch treffen wird“, sagte der Fahrer, als Gisele in den wartenden Wagen stieg. „Er hat etwas Dringendes zu erledigen. Er bat mich, Ihnen das hier zu geben.“ Der Chauffeur reichte ihr eine Kreditkarte und ein gefaltetes Blatt Papier mit Uhrzeit und Adresse des Restaurants, wo sie sich treffen sollten.
„Hätte er mir das nicht selbst sagen können?“, fragte sie leicht verstimmt.
Der Fahrer zuckte nur mit den Achseln. „Er ist ein beschäftigter Mann. Er arbeitet immer.“
„Ich brauche keinen Wagen, ich laufe lieber. Nehmen Sie sich den Vormittag
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