Julia Extra 360
dumm sein können?! So stur?! So blind?!
Er drückte den Knopf der Sprechanlage. „Carla? Sind Sie noch da?“
„Sì, signor“ , meldete sich seine Sekretärin. „Ich räume gerade zusammen.“
„Organisieren Sie mir einen Flug nach Sydney, ganz gleich, was es kostet. Chartern Sie meinetwegen eine Privatmaschine. Oder kaufen Sie eine!“ Mein Leben hängt davon ab! Meine Liebe! Mein … alles!
Als Emilio das Schild mit der Aufschrift „geschlossen“ an Giseles Ladentür sah, saß ihm das Herz wie ein Stein in der Brust. Doch dann fiel ihm ein, dass es erst halb acht morgens war. In seiner Eile, zu ihr zu kommen, hatte er die Zeitverschiebung völlig außer Acht gelassen. Er hätte vorher anrufen sollen. Aber er hatte Gisele einfach nur so schnell wie möglich sehen wollen. Sehen müssen .
Er nannte dem Taxifahrer ihre Privatadresse. Die Fahrt zu ihrer Wohnung schien ewig zu dauern, auch wenn er die Zeit nutzte, um die kleine Rede, die er vorbereitet hatte, in Gedanken zu üben. Den ganzen Flug über war er wach geblieben, hatte sich genau überlegt, was er zu ihr sagen würde, hatte es immer wieder umformuliert und überarbeitet. Letztendlich waren drei Worte übrig geblieben, die er ihr zu sagen hatte: Ich liebe dich.
Das Taxi bog in die Straße ein … Emilios Herz blieb stehen, als er das „Verkauft“-Schild im Fenster ihrer Wohnung hängen sah. Der Wagen hielt an, Emilio wies den Fahrer an, zu warten, stieg aus und eilte auf das Haus zu. Auf sein Klingeln erfolgte keine Antwort, er schaute in die Fenster, doch die Wohnung war offensichtlich leer, nichts rührte sich im Innern.
Eine ältere Dame mit Stock stand bei den Briefkästen. „Kann ich Ihnen helfen?“
Er schwang herum. „Ich möchte zu Gisele Carter. Wissen Sie zufällig, wo sie ist?“
„Sie ist weg.“
Panik machte sich in Emilio breit. „Weg?“
„Ja, sie wollte Urlaub machen, bevor sie in die neue Wohnung zieht“, wusste die Frau. „Mit ihrer Mutter und ihrer Schwester auf einer tropischen Insel irgendwo in Queensland. Sie hat mir den Namen genannt, aber ich hab’s wieder vergessen.“
Emilio stöhnte stumm auf. Es gab Hunderte von Inseln in Queensland! Wie sollte er sie da finden?! „Wann ist sie losgefahren?“
„Vor ungefähr einer halben Stunde. Sie haben sie nur knapp verpasst.“
„Wissen Sie vielleicht, mit welcher Fluglinie sie unterwegs ist? Es ist wirklich wichtig. Ich muss ihr sagen, dass ich sie liebe. Und ich will sie bitten, meine Frau zu werden.“
Die alte Dame lächelte milde. „Ja, an die Fluglinie erinnere ich mich. Und ich glaube, sie wollte nach Hamilton Island. Ja, das ist es – Hamilton Island.“
Emilio rannte zur Wartehalle, nachdem die Sicherheitsleute am Flughafen ihn durchgelassen hatten. In der Halle war niemand mehr, und die Anzeigetafeln zeigten an, dass das Boarding abgeschlossen war.
Er war zu spät gekommen.
Von der Fensterfront aus konnte er sehen, dass das Flugzeug auf die Startbahn rollte.
Er war zu spät gekommen.
Er stützte die Hände an die Scheibe und lehnte die Stirn an das Glas. Der Druck auf seiner Brust machte ihm das Atmen schier unmöglich. Er kannte das Gefühl, es war das gleiche wie damals, als er auf der Treppe gesessen hatte – das Gefühl von Verlassenheit, niemanden zu haben, nicht zu wissen, wie es weitergehen sollte. Unsicherheit, Einsamkeit, schmerzende Leere …
„Emilio?“
Ein Prickeln lief über seinen Nacken. Er bildete sich das nur ein, genau, wie er sich damals eingebildet hatte, seine Mutter nach ihm rufen zu hören, während er stundenlang in Kälte und Dunkelheit auf den Steinstufen gewartet hatte.
Langsam drehte er sich um. Da stand Gisele vor ihm. Sie war leichenblass, wie ein Geist. Spielte ihm seine Fantasie nur einen Streich? Er blinzelte mehrere Male, doch sie verschwand nicht. „Du hast dein Apartment verkauft.“ Großer Gott, fiel ihm nichts Besseres ein?!
„Ja. Es war an der Zeit für mich, den nächsten Schritt zu machen“, sagte sie.
Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. „Ich dachte, du säßest in dem Flugzeug da.“ Noch banaler konnte er nicht werden! Warum sagte er nicht, was er sagen wollte?
„Mein Flug geht erst in vierzig Minuten – nach Heron Island. Mum und ich treffen uns dort mit Sienna. Mum hält es für eine gute Gelegenheit, dass wir uns alle besser kennenlernen. Ich muss dort hinten einchecken.“ Sie zeigte die Abflughalle hinunter.
„Oh … deine Nachbarin sprach von
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