Julia Extra Band 0193
antwortete er nach kurzem Überlegen. „Würde ihn das interessanter machen?“
Eindeutig eine Fangfrage, und Cass konnte der Versuchung nicht widerstehen. „Kommt darauf an. Hat er etwas mit den Carlisle-Millionen zu tun?“
Ihm musste doch klar sein, dass sie nur provozieren wollte. Doch scheinbar merkte er es nicht.
„In gewisser Hinsicht.“ Und dann: „Vielleicht hätte ich Sie ja doch nicht aus seinen Klauen befreien sollen?“
Cass schüttelte nur leicht den Kopf. Wenn sie wirklich auf eine reiche Heirat aus wäre, würde sie es bestimmt nicht so offen durchscheinen lassen. „Sollten Sie tatsächlich glauben, ich würde nach einem alten reichen Sugardaddy Ausschau halten, dann steht Ihnen“, sie betonte das „Ihnen“, „eine Enttäuschung bevor.“
Diesmal verstand er. Abrupt blieb er stehen, eine Sekunde später setzte auch die Musik aus, was ihr eine wunderbare Möglichkeit bot, ihn einfach stehen zu lassen.
Doch er hielt sie am Arm zurück. „So sehen Sie mich also?“
Natürlich nicht. Zum einen war er nicht alt, höchstens Mitte dreißig. Und er war bestimmt kein Sugardaddy. Nur das „reich“ stimmte – für manche Frauen sicher ausreichend, für Cass nicht. Was allerdings den Mann selbst anbetraf, nun …
„Ich kenne Sie doch gar nicht“, antwortete sie schließlich. Das war wohl neutral und harmlos genug.
Sein Blick allerdings war keineswegs harmlos. „Sie werden mich sicher noch kennenlernen.“
War das ein Versprechen oder eine Drohung? Sie beschloss, es als Scherz aufzufassen, und lachte. „Das glaube ich kaum. Wir bewegen uns nicht in den gleichen Kreisen.“
„Ist das ein Problem?“
Für ihn vielleicht nicht. „Für mich schon“, sagte sie leise und blickte bedeutungsvoll auf seine Hand, damit er sie endlich losließe.
Für einen Moment wurde sein Griff fester, seine Finger warm an ihrer Haut, dann zog er seine Hand fort. Cass wandte sich sofort um und ging zum Tisch zurück, um ihre Handtasche zu holen. Ihr Selbsterhaltungstrieb befahl ihr, diese Gesellschaft und Drayton Carlisle so schnell wie möglich zu verlassen.
Onkel Charles, der noch immer an dem Tisch saß, sah sie mit großen Augen an. „Sie wollen doch nicht schon gehen?“
„Doch, ich muss, leider“, murmelte sie unaufrichtig. „Es war nett, Sie kennenzulernen.“ Sie folgte Onkel Charles’ Blick und war nicht erstaunt, als er bei Drayton endete, der noch auf der Tanzfläche stand.
Eine andere Dame hatte längst ihren Platz eingenommen; das überraschte Cass nicht im Mindesten. Aber der Stich, den es ihr versetzte, überraschte sie. Etwa Eifersucht? Nach einem einzigen Tanz und ein paar belanglosen Worten?
Jetzt drehte Drayton den Kopf, als hätte er ihren Blick gespürt, und sah zu ihr hinüber. Ihre Blicke hielten einander fest, für einen langen Moment, und dann schluckte Cass und wandte sich ab.
Sie musste hier weg.
Es wäre ihr auch gelungen, wenn das Schicksal sich nicht eingemischt hätte.
Als sie nach draußen trat, um über die Terrasse zu verschwinden, sah sie einen Jungen, der jenseits des Rasens am Flussufer stand und winkte. Es dauerte einen Moment, bevor ihr klar wurde, dass er sie meinte. Und dass er nicht winkte, sondern verzweifelt mit den Armen wedelte, um sie auf sich aufmerksam zu machen, und dann in ihre Richtung rannte.
Jetzt hatte sie auch erkannt, dass seine Kleider ihm nass am Körper schlotterten, und sie rannte ihm entgegen, hörte sich die gehetzte Geschichte zwischen Schluchzern und Husten an.
In Panik rannte sie zum Fluss, riss sich im Laufen die Schuhe von den Füßen. Ihr enges Kleid, nicht für schnelle Spurts gemacht, riss. Und dann war sie auch schon im Wasser, schwamm auf die Arme zu, die herausstakten. Zu langsam. Zu spät. Sie tauchte. Schluckte Wasser. Hustete.
Und dann wurde sie von zwei Armen gepackt, und jemand holte sie ans Ufer.
„Was ist mit dem Jungen?“, hörte sie eine Stimme an ihrem Ohr brüllen. „Ist er irgendwo da?“
Sie konnte nur nicken. Hustend kauerte sie auf der Sandbank und starrte mit schreckgeweiteten Augen auf den Fluss. Minuten verstrichen. Die Hoffnung schwand. Und endlich, endlich tauchte nicht nur ein Kopf, sondern zwei Köpfe aus den Fluten auf.
„Gott sei Dank!“, hörte sie jemanden neben sich aufseufzen, und sie drehte sich überrascht um. Sie hatte vergessen, dass jemand neben ihr stand. „Ich bin Simon, Simon Carlisle.“
Sie waren einander vorgestellt worden. Ein Cousin. Cass richtete den Blick wieder auf
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