Julia Extra Band 0193
zurück.
Dray schaute ihm düster nach. „Ist das einer deiner Galane?“
„Mach dich nicht lächerlich“, zischte sie. „Er ist ein Kollege, mehr nicht.“
„Ein Arztkollege?“
„Ja.“
Erst einen Augenblick später wurde ihr bewusst, was er da gefragt hatte. Er wusste also, dass sie Ärztin war?
„Gibt’s hier irgendwo einen Pub, wo wir einen Drink nehmen können?“
„Am Ende der Straße. Aber warum sollte ich mit dir dorthin gehen?“
„Natürlich können wir uns auch hier auf der Straße vor dem Krankenhaus streiten, wenn dir das lieber ist.“
Sie sah zum Portal hinüber, aus dem gerade eine Gruppe Schwestern trat. „Na schön.“ Sie hatte keine Lust, zum Hauptgesprächsthema der Belegschaft zu werden.
Cass war noch nie im „Star and Garter“ gewesen, obwohl der Pub so nahe lag. Es war dämmrig und angenehm kühl, im Hintergrund spielte leise Musik.
Am frühen Abend war noch nicht viel Betrieb. Cass setzte sich in eine Nische, während Dray zur Bar ging und die Getränke holte. Sobald er mit den Gläsern zurückkam, fragte sie: „Warum bist du gekommen?“
Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Erst setzte er sich und sah sie lange an. „Ich muss mit dir reden“, wiederholte er schließlich. „Und da du meine Anrufe nicht beantwortest, blieb mir nichts anderes übrig.“
„Welche Anrufe?“
„In den letzten zwei Tagen habe ich drei Nachrichten auf deinem Anrufbeantworter hinterlassen.“
„Ich hatte Dienst.“
„Ich habe auch im Krankenhaus angerufen, aber man sagte mir, dass es keine Pflegekraft mit Namen Cassandra Barker gebe. Nur eine Ärztin, die man über ihren Pager erreichen könne – wenn man denn die entsprechende Nummer hat.“ Er schwieg einen Augenblick. „Ich nehme an, dass du das bist?“
Sie konnte nicht widerstehen. „Erstaunlich, nicht wahr? Was unterprivilegierte Menschen doch alles erreichen können, wenn man ihnen nur eine Chance gibt.“
„Ich würde dir ja gratulieren, wenn ich nicht genau wüsste, dass du das als herablassend missverstehen würdest. Allerdings finde ich es wesentlich erstaunlicher, dass deine Schwester nie etwas über deinen Beruf erwähnt hat.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du großes Interesse gezeigt hast.“
Doch seine Antwort nahm ihr den Wind aus den Segeln: „Im Gegenteil. Ich habe durchaus ab und zu nach dir gefragt. Pen erzählte, du würdest in einem Hamburger-Restaurant bedienen, und machte auch immer wieder Anspielungen auf die Männer, mit denen du dich triffst, aber sie hat nichts von einer medizinischen Laufbahn erwähnt. Wann hast du das Studium beendet?“
„Vor einem Jahr.“
„Dann musst du an der Universität gewesen sein, als wir uns kennenlernten.“
„Nein, ich war Kassiererin, weißt du nicht mehr?“ Sie erwähnte es absichtlich. Er sollte wissen, dass sie sich dessen nicht schämte.
Er runzelte die Stirn, und Cass konnte sich vorstellen, wie er sich fragte, ob sie sich vielleicht nur als Ärztin ausgab.
„Ich hatte direkt nach der Schule mit dem Studium angefangen“, erklärte sie, „aber dann habe ich das Studium für zwei Jahre unterbrochen, bevor ich es wieder aufnahm.“
„Warum hast du es unterbrochen?“ Er klang immer noch misstrauisch.
„Die Umstände machten es erforderlich.“
„Welche Umstände?“
Das konnte sie ihm nun wiederum nicht sagen. Sie musste ihr Versprechen Tom gegenüber wahren und Pens erste Schwangerschaft geheim halten. „Was soll das werden?“, fragte sie stattdessen verärgert. „Die Zeiten der Spanischen Inquisition sind vorbei.“
Seine Lippen wurden zu einem dünnen Strich. „Ich versuche nur, deine Vergangenheit mit deiner Gegenwart in Einklang zu bringen. Ich kann mich nicht entsinnen, dass du während unserer kurzen Beziehung auch nur das Geringste davon erwähnt hast.“
Es stimmte. Das Gefühl, versagt zu haben, hatte sie davon abgehalten. „Es beunruhigt dich, nicht wahr? Eine Kassiererin, die über ihre gesellschaftliche Stellung hinausschießt“, bemerkte sie bissig.
Er schüttelte resigniert den Kopf. „Kämpfst du immer noch den Klassenkampf, Cass? Wir anderen sind alle längst nach Hause zurückgekehrt, nur du stehst allein auf dem Schlachtfeld. Wird dir das eigentlich nie langweilig?“
Sie stutzte. Aber nicht lange. „Langweilig wird mir nur dieses Treffen hier. Ich wäre dir dankbar, wenn du zum Punkt kommen könntest.“
„Fein.“ Er griff in seine Jacketttasche, zog einen Umschlag hervor und schob ihn zu ihr
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