Julia Extra Band 0193
würden. Aber wenn Sie gern einmal ausgehen möchten, dann sagen Sie es mir einen Tag vorher, und ich organisiere einen Babysitter.”
“Ich glaube nicht, dass ich abends ausgehen möchte. Ich kenne hier ja niemanden.”
Er nickte. “Sie sollen nur wissen, dass Sie keine Gefangene in diesem Haus sind.” Als er das ausgesprochen hatte, schlug ihm sogleich das Gewissen. War es nicht gerade das, was ihr Vater wollte? Er sollte sie möglichst lange hier festhalten, weil der Vater davon überzeugt war, dass eine längere Abwesenheit nur zu ihrem Besten wäre.
“Ich fahre morgen mit Ihnen in die Schule und weise Sie in alles ein”, sagte Callum. “Wir brechen um acht Uhr fünfzehn auf. Möchten Sie jetzt eine Tasse Tee?”
“Danke, nein. Ich möchte mich lieber gleich zurückziehen. Ich bin wirklich müde.” Sie stand auf und sah, dass er Wärmflaschen vorbereitete. “Die Nächte sind kalt hier, nicht wahr?”, fragte sie schmunzelnd.
“Das stimmt. Aber die hier sind für die Lämmer. In Ihrem Schrank finden Sie eine beheizbare Schlafdecke, falls Sie sie brauchen.”
“Danke, aber ich glaube, ich brauche sie nicht.” Sie zögerte einen Augenblick und fragte dann: “Darf ich Ihr Telefon benutzen? Ich bezahle auch dafür. Mein Handy funktioniert nämlich hier nicht.”
Callum stutzte. Wollte sie ihren grässlichen Freund anrufen? Ihr Vater würde das nicht gern sehen. Aber Nein konnte er auch nicht sagen. Das würde kleinlich und geizig wirken.
“Sie dürfen”, sagte er schließlich. “Aber bitte fassen Sie sich kurz, ich erwarte einen Anruf.”
Als er sich sein Essen zubereitete, hörte er, wie sie in der Halle die Nummer wählte. Und dann: “Hallo, ich bin es. Ich habe an dich gedacht. Wie geht es dir?”
Callum schlug eine Schranktür zu, damit sie merkte, dass er sie hören konnte. Aber das kümmerte sie nicht.
“Sei nicht dumm. In zwei Wochen bin ich zurück … so lange kannst du doch warten.”
Callum runzelte die Stirn. Das wollte er wirklich nicht hören.
Sie lachte, und das klang sehr sexy. Es war ganz offensichtlich, dass sie mit ihrem Freund sprach. “Ich freue mich darauf”, sagte sie leise.
Worauf freut sie sich? fragte sich Callum. Mit Wucht zog er den Schub mit den Bestecken auf.
“Ich kann jetzt nicht länger mit dir sprechen. Ich rufe dich morgen wieder an. Ach ja … hast du etwas von meinem Vater gehört?”
Callum lauschte.
“Nein? Das wundert mich. Okay. Bis bald, mein Schatz.”
Mein Schatz? Callum verzog das Gesicht.
Zoë steckte den Kopf durch die Tür. “Danke, Callum, bis morgen!”
Als sie ihr Schlafzimmer betrat, blähten sich die Vorhänge. Schnell lief sie ans Fenster und machte es zu. Dann setzte sie sich an den Frisiertisch und bürstete ihr Haar. Es war kalt im Zimmer. Sie drehte die Heizung hoch, zog ihr Nachthemd an und kroch unter die Decke, zitternd vor Kälte. Als sie das Licht löschte, war es stockfinster in ihrem Zimmer. Alles, was sie hörte, war der Wind, der um das Haus pfiff. Sie war an Straßenbeleuchtung und Verkehrslärm gewöhnt, und es kam ihr ganz seltsam vor, nur die Elemente zu hören.
Plötzlich hörte sie einen Schrei, der fast das Blut gerinnen ließ. Dann war wieder alles ruhig. Ihr Herz schlug wie wild. Was kann das gewesen sein? fragte sie sich. Ganz bestimmt kam der Schrei von draußen. War es ein Tier?
Sie hörte Fußstapfen auf der Treppe und danach das Knarren der Dielen.
Wieder durchdrang dieser furchtbare Schrei die Nacht. Zur gleichen Zeit sprang das Fenster auf, die Gardinen blähten sich, und ein Schwall kalter Luft drang ins Zimmer. Zoë schlug die Decken zurück, sprang aus dem Bett und lief zum Fenster, um nachzusehen, was draußen vor sich ging.
“Zoë? Ist alles in Ordnung? Woher kam der Krach?”, fragte Callum vom Korridor aus.
“Das Fenster ist aufgesprungen”, rief sie. Sie kämpfte mit dem Fensterflügel und wollte ihn schließen, aber es gelang ihr nicht. Schließlich öffnete sie die Schlafzimmertür und war höchst erleichtert, Callum draußen stehen zu sehen.
“Ich weiß nicht, was hier los ist”, sagte sie. “Kaum lag ich im Bett, da hörte ich einen fürchterlichen Schrei, und dann flog das Fenster auf.”
Sein Blick glitt über ihre schlanke Figur im schwarzseidenen Nachthemd und das lange blonde Haar, das ihr auf die Schultern fiel. Die grünen Augen waren vor Angst geweitet. Kein Zweifel, sie ist außergewöhnlich attraktiv, dachte er.
“Da ist es wieder”, sagte sie, als jener
Weitere Kostenlose Bücher