Julia Extra Band 0193
eigenes Leben führen konnte. Er konnte es einfach nicht verstehen, dass sie unabhängig sein wollte. Sie wollte arbeiten und sich eine Nische suchen, wo sie ohne die Hilfe ihres Vaters leben konnte. Andauernd mischte er sich in ihre Angelegenheiten, und das machte sie wütend. Vor einigen Wochen hatte sie eine fürchterliche Auseinandersetzung mit ihm gehabt, und danach hatten sie sich nicht wieder vertragen. Deswegen hatte sie heute Abend mit ihrer Mitbewohnerin telefoniert. Sie hatte gehofft, dass ihr Vater bei ihr angerufen und mit ihr gesprochen hatte, doch Honey hatte ihr nichts von ihm mitzuteilen. Nur Matthew Devine hatte sich gemeldet und ihr ausrichten lassen, dass alles nach Plan lief.
Sie vergrub ihren Kopf in den Kissen, als sie merkte, dass sie ganz aufgeregt wurde, wenn sie an Matthew dachte. Er war Kunsthändler und verhalf ihr zu ihrer ersten Bilderausstellung. Sie hoffte so sehr, dass dies ein Wendepunkt in ihrem Leben sein würde und dass sie danach ihre Arbeit für die Agentur aufgeben und sich ganz der Kunst widmen konnte.
Matthew hatte ihr bei den Vorbereitungen wunderbar geholfen und sie stets ermutigt. Sie wusste zwar, dass er eine etwas finstere Vergangenheit hatte, aber die Zeiten lagen lange zurück. Manchmal gingen sie zusammen aus, doch obwohl er eine starke Anziehungskraft besaß, bestand zwischen ihnen nichts anderes als eine tiefe Freundschaft. Doch das hatte sie ihrem Vater nicht gesagt, sondern ihn in dem Glauben gelassen, dass sie und Matthew ein Liebespaar waren, denn sie wusste, dass er sofort seine Beziehungen spielen lassen würde, wenn er Wind von ihrer Ausstellung bekam. Er würde seine Freunde und Kollegen dazu bringen, dass sie ihre Bilder kauften, und sie würde nie erfahren, ob sie den Erfolg, falls er sich einstellte, ganz allein errungen hatte.
Sie drehte sich um und starrte an die Decke. Vielleicht hätte sie ihrem Vater die Wahrheit über ihre Beziehung zu Matthew sagen sollen, überlegte sie. Aber auch dann wäre Francis niemals erfreut über ihre Liebe zur Kunst gewesen. Viel lieber würde er es sehen, wenn sie sich für das Familienunternehmen interessierte. Wenn die Wahrheit herauskam, würde er tief enttäuscht von ihr sein, und das würde sie traurig stimmen. Aber dies war ihr Leben, und dies waren ihre Entscheidungen.
Sie liebte ihren Vater innig, doch sie weigerte sich, länger seine dominierende Rolle zu akzeptieren. Als sie ihm vorgaukelte, dass zwischen ihr und Matthew eine ernste Beziehung bestand, wusste sie schon im Voraus, wie er darauf reagieren würde. Er war regelrecht explodiert. Aber sie war alt genug, um ihren eigenen Weg zu gehen. Das musste er endlich einsehen, und sie war fest entschlossen, nicht mit ihm zu sprechen, bevor er sich bei ihr entschuldigt hatte. Wenn sie sich eines Tages dazu entschließen sollte, zu heiraten, wollte sie ihren Partner selbst wählen. Sie war regelrecht geschockt, als er ihr sagte, dass er einen ganz bestimmten Mann für sie im Auge hatte. Schon immer war er ein Befehlshaber gewesen, aber dieses Mal war er zu weit gegangen.
Wieder drehte sie sich auf die andere Seite. Soll er sich doch grämen, dachte sie.
Soll er doch denken, dass ich Matthew Devine heiraten will. Das geschieht ihm recht.
Sie würde sich nicht wieder vor ihm beugen. Sie wollte ihm zeigen, dass sie auf eigenen Füßen stehen konnte.
3. KAPITEL
Es war stockdunkel, als etwas auf ihr Bett fiel. Vor Schreck setzte sich Zoë auf und musste sich erst einmal orientieren, wo sie sich befand.
“Zeit zum Aufstehen”, sagte eine junge Stimme. “Es ist halb sieben.”
Gähnend schaltete Zoë das Licht an. Zwei Kinder starrten sie an. Alice war sichtlich überrascht, Kyle eher erschrocken.
“Was machen Sie in Daddys Bett?”, fragte er böse.
“Wir haben die Zimmer getauscht”, antwortete Zoë. “Steht ihr immer so früh auf?”
Die Kinder liefen in das andere Zimmer, um ihren Vater zu wecken. Nur mühsam stand Zoë auf und stapfte schlaftrunken ins Badezimmer. Sie stellte sich unter die Dusche, warf das lange blonde Haar zurück, hielt das Gesicht unter den warmen Wasserstrahl und reckte die Arme. Danach fühlte sie sich endlich wohl.
Währenddessen zog Callum Jeans und einen dicken Pullover an und überlegte, wie und wo er den Haken für das Fenster finden könnte, bevor er zur Arbeit ging. Ganz in Gedanken betrat er das Badezimmer und sah zu seinem Erstaunen Zoë nackt unter der Dusche stehen. Seifenschaum bedeckte die honigfarbene Haut.
Weitere Kostenlose Bücher