Julia Extra Band 0193
sie versucht, die beiden neugeborenen Lämmer anderen Mutterschafen unterzuschieben, aber auch das wollte nicht gelingen. Alles in allem ist es ein schlechter Tag, dachte Callum, als er die Jammerlaute der Lämmer in der frostkalten Nacht hörte. Schließlich nahm er sie auf und steckte sie unter seine warme Jacke.
“Ich denke, wir sollten für heute Schluss machen, Tom. Hier können wir nichts mehr tun.”
Traurig schüttelte sein Gehilfe den Kopf.
“Ich komme beim ersten Tageslicht wieder”, versprach Callum und richtete seinen Blick in die Ferne, wo ihm die Lichter des Farmhauses wie ein warmer Willkommensgruß erschienen. Er war müde und hungrig, und er machte sich Sorgen um seine Kinder. Er hatte sie nur ungern bei Zoë Bernard gelassen. Zwar hatte sie fabelhafte Referenzen, und ihr Vater war ein anständiger Mann, aber er wusste zu wenig von ihr. Er war nur zweieinhalb Stunden fort gewesen und wäre gern noch länger geblieben, denn es gab noch andere Schafe, nach denen er hätte sehen müssen. Für gewöhnlich war Ellen an solchen Tagen auf der Farm, und bei ihr wusste er die Kinder gut aufgehoben.
“Möchten Sie, dass ich noch länger bleibe?”, fragte Tom.
Callum sah den jungen Landarbeiter dankbar an. “Danke, aber Sie haben heute schon lange genug gearbeitet. Gehen Sie ruhig nach Hause. Wir sehen uns morgen früh.” Er klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und machte sich auf den Weg.
Im Farmhaus war es still, als Callum durch die Hintertür eintrat. Er sah, dass die Küche sauber und aufgeräumt und das Geschirr abgewaschen war. Die Arbeitsflächen glänzten. Das hatte er von Zoë wirklich nicht erwartet.
Er legte die Lämmer in den Korb neben dem Kachelofen. Dann wusch er sich die Hände und ging in das obere Stockwerk. Alice lag in ihrem Bett und schlief fest. Der rötliche Schein der Nachttischlampe fiel auf die bunte Patchworkdecke und die Teddybären auf dem Kopfkissen.
Auch im Zimmer daneben brannte die Nachttischlampe noch. Kyle lag mit dem Rücken zur Tür und rührte sich nicht.
“Kyle?”
Es kam keine Antwort. Aber Callum war sicher, dass der Junge nicht schlief. “Kyle, stimmt etwas nicht?”, fragte er. Wieder bekam er keine Antwort. Callum legte die Decke um das Kind und löschte das Licht. “Wir sehen uns morgen früh”, sagte er und gab ihm einen Kuss.
Er stolperte beinahe über Zoë, als er aus dem Zimmer trat. Sie trug einen Wäschekorb und kam anscheinend aus dem Badezimmer.
“Sie haben mich erschreckt”, sagte sie. “Fast hätte ich die Wäsche fallen lassen.”
Er nahm ihr den Korb ab und sah, dass obenauf Kyles Schuluniform lag. Sie war voller Rußflecke.
“Sind Sie mit den Kindern gut zurechtgekommen?”, fragte er.
“Sie waren artig”, antwortete sie zögernd.
“Sie haben Ruß in Ihrem Gesicht”, bemerkte er.
“So?”
Callum wischte den grauen Fleck weg, und allein diese Berührung brachte sie ganz durcheinander. Er stand sehr nahe bei ihr, so nahe, dass sie die feinen Linien um die Augen sah. Lachfältchen, dachte sie.
Ein Zeichen dafür, dass er gelebt und geliebt hat.
Ihr Blick streifte seinen sinnlichen Mund, und prompt zog sich ihr Magen zusammen, was sie sich nicht erklären konnte.
Callum trat einen Schritt zurück. “Sehen Sie hier!” Er zeigte ihr den Ruß auf seinen Fingern. “Was haben Sie denn gemacht? Kohlen geschippt?”
Sie dachte an die Angst, die sie ausgestanden hatte, als sie Kyle nicht finden konnte. Das Kind hatte sie in Panik versetzt. Über eine Stunde hatte sie nach ihm gesucht, bis sie es endlich im Kohlenkeller aufspürte. Es hatte sich vor ihr versteckt, hatte sie rufen hören und nicht darauf reagiert. Um die Sache noch schlimmer zu machen, hatte er sich auf den Fußboden gelegt, der mit Ruß bedeckt war. Als sie ihn nach dem Grund für sein hässliches Benehmen fragte, hatte er sie nur finster angestarrt.
War es nur ein kindlicher Streich, oder steckt mehr hinter seinem Benehmen? fragte sich Zoë. Sollte sie es Callum erzählen?
“Zoë?” Callums Stimme rief sie in die Gegenwart zurück.
Besser nicht, dachte sie, als sie in sein ernstes Gesicht blickte. Morgen wollte sie ein ernstes Wort mit dem Kind reden, wenn sie sich beide beruhigt hatten.
“Ich habe nur ein bisschen aufgeräumt”, sagte sie und ging auf die Treppe zu. “Ich habe Würstchen und Chips für die Kinder gemacht. Möchten Sie, dass ich das auch für Sie mache?”
“Nein, danke. Ich mache mir später ein Sandwich.” Er folgte
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