Julia Extra Band 0198
Reifen strömte.
Rache, wem Rache gebührt, dachte sie mit einem süffisanten Lächeln. Zufrieden rieb sie sich die Hände, als der Fahrer aus seinem Wagen gestiegen kam.
“Was, zum Teufel, geht hier vor?”
Sie erkannte den großen, untersetzten Mann sofort wieder – es war einer von den Beharrlichsten aus dem Rudel der Journalisten, die wochenlang vor ihrer Haustür campiert hatten. Fassungslos stierte dieser Typ jetzt auf den langsam immer platter werdenden Reifen, und als Flora das entgeisterte Gesicht des Mannes sah, musste sie lachen, auch wenn ihr schon im nächsten Augenblick klar wurde, dass es wahrscheinlich keine so gute Idee gewesen war, dieses Lachen nicht zu verbergen – war er doch ein Kraftpaket von einem Mann und dazu jetzt in einer ausgesprochen üblen Laune.
Warum nur bin ich nicht so gescheit gewesen und unauffällig zur nächsten Polizeidienststelle gefahren, um diesen ungebetenen Verfolger loszuwerden? schalt sie sich jetzt selbst. Doch über die ganze Strecke war sie zu wütend gewesen, um einen wichtigen Aspekt genügend zu beachten – den nämlich, dass dies eine sehr einsame Straße in einer sehr entlegenen Gegend war. Dies wurde ihr nun mit Schrecken bewusst. Und als ob dies nicht schon genügte, ihr furchtbare Angst einzuflößen, wurde nun auch noch der Wind heftiger, sodass die großen Baumwipfel über ihr bedrohlich zu rauschen anfingen. Ihr war so, als ob die Bäume kicherten und sagen wollten, nun löffel mal aus, was du dir da eingebrockt hast, Flora.
“Du kleine Hexe, du!” Der Fahrer schien sich von seinem Zustand völliger Fassungslosigkeit wieder erholt zu haben; nun kam er langsam auf Flora zugeschritten.
Sie spürte, wie sie nichts dagegen tun konnte, dass sie wie hypnotisiert und wie angewurzelt stehen blieb, derweil die stämmige Gestalt immer näher kam.
“Das, was Sie da gerade getan haben, ist eine kriminelle Handlung … vorsätzliche Sachbeschädigung.” Er klang eher wie ein maulendes Kind, dem man die Trompete weggenommen hatte. Floras Panik ließ ein wenig nach; und dann fasste sie sich rasch auch wieder.
“Im Privatleben fremder Leute herumzuschnüffeln und in deren persönlichen Angelegenheiten herumzubohren ist genauso kriminell”, konterte sie. “Und wenn dies gegenwärtig nicht unter Strafe steht, dann sollte es das aber fairerweise eigentlich tun! Und wagen Sie bloß nicht, mich anzufassen!” Flora stieß einen Schrei der Entrüstung aus, als das Scheusal mit einer feisten Hand ihren Unterarm umfasste; der feste Griff ließ auch dann nicht nach, als sie sich wütend von ihm loszureißen versuchte, wobei der flotte große glockenförmige Hut, den Flora auf dem Kopf trug, ihr über ein Auge rutschte.
Es war nicht seine Absicht, ihr körperlichen Schaden zuzufügen, aber Tom Channing empfand doch erhebliche Genugtuung, als er merkte, dass Miss Eiskalt hinter ihrer hochmütigen Fassade doch nicht eben wenig Angst vor ihm hatte. All die Wochen im Rampenlicht zu stehen, die Augen der Öffentlichkeit permanent auf sich gerichtet, das hatte diese Frau keineswegs aus der Fassung gebracht – nicht ein einziges Mal hatte sie ihre stolze Haltung verloren! Man würde erwarten, dass ein Mensch in ihrer Situation den Boden unter den Füßen verlieren und verletzlich sein würde, aber irgendwie gelang es dieser Hochnäsigen, sich so zu geben, als bemerkte sie gar nicht, wie sie überall, wo sie auftauchte, durch ein wahres Blitzlichtgewitter ging!
Wohl war ihm nicht entgangen, dass Flora Graham starken Rückhalt aus ihrem unbeirrt loyalen Freundeskreis erfuhr, welcher sich obendrein der Presse gegenüber äußerst zurückhaltend verhielt. Inzwischen war in der Öffentlichkeit das Interesse an Doktor Graham ziemlich abgeebbt, aber Tom Channing wollte die Skandalgeschichte trotzdem nicht einfach einschlafen lassen; inzwischen machte er sie zu seiner ganz persönlichen Kampagne.
“Wie bringen Sie denn die Sache zur vollständigen Aufklärung, wenn ich mich nicht dahinterklemme, Miss Graham?”, raunte er und genoss es sichtlich, eindeutig derjenige zu sein, der die Situation kontrollierte.
“Gibt es hier ein Problem?”
Der Reporter drehte sich frustriert um; sein selbstherrliches Grinsen wich momentan einem Zähneknirschen. Flora bekam davon wenig mit, denn sie starrte mit großen Augen auf den fremden Mann mit der satten dunklen Stimme, den stahlgrauen, von langen Wimpern umrahmten Augen und dem sündhaft erotischen Mund.
Und es bot sich ihr noch
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