Julia Extra Band 0198
einem Unbekannten zu reden, nachdem sie so lange durch die äußeren Umstände gezwungen gewesen war, in Gesprächen mit Fremden äußerste Vorsicht und Zurückhaltung walten zu lassen. Nun ja, so total locker war die Unterhaltung mit dieser dunkelhaarigen Prachtgestalt ja nun auch wieder nicht, musste sie sich dann doch eingestehen.
Der Mann war einfach zu verflucht attraktiv und charismatisch, als dass man sich in seiner Gegenwart ganz unbefangen verhalten konnte. Ich muss aufpassen, dass mir nicht unkontrolliert ein schmachtender Seufzer herausrutscht! dachte Flora besorgt.
“Das Dorf ist ja nicht weit von hier. Aber gemessen an den Umständen doch auch wieder nicht so nah.” Sie rümpfte die Nase angesichts des säuerlichen Geruchs, der noch immer an ihrem Körper haftete. “Ich müsste mich unbedingt umziehen. Könnten Sie vielleicht …?” Mitten im Satz hielt sie inne, dann machte sie verschreckt einen Rückzieher. “Nein, das wäre nun wirklich zu viel verlangt …”
“Nun lassen Sie mich doch bitte selbst Ihre Frage beantworten.”
Sie lächelte leicht verlegen und trat dann die Flucht nach vorn an. “Also – was ich gerade fragen und Sie bitten wollte, war – könnten Sie wohl kurz für mich den Aufpasser spielen, während ich mich umziehe? Auch wenn wahrscheinlich kaum jemand hier entlangfährt.”
“Immerhin kam ich hier vorbeigefahren.”
Flora verspürte jetzt ein leichtes, nicht näher begründbares Unbehagen – wahrscheinlich eine Überreaktion, die wohl zu dem Prozess der Verarbeitung des belastenden Geschehens der vergangenen paar Monate dazugehörte. Da konnte man nicht erwarten, quasi über Nacht zur Normalität zurückzufinden. “Ja, und es war bestimmt ein Riesenglück für mich, dass Sie hier vorbeikamen.” Sie glaubte zwar nicht, sich mit dem unsympathischen Reporter in einer wirklich gefährlichen Situation befunden zu haben, aber einige unnötige Unannehmlichkeiten hatte sie sich so sicher ersparen können.
Ein Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank, so schoss es Josh durch den Kopf, als sie ihn ansah und er ihren nun fast schon zutraulichen Blick wahrnahm. Wie wenig Verdacht und Misstrauen sie mir entgegenbringt, dachte er. Er sollte eigentlich sehr zufrieden damit sein, wie die Dinge gerade ihren Lauf nahmen und die konkrete Situation sich entwickelte – doch irgendwie machte ihre Zutraulichkeit ihn überhaupt nicht froh.
“Was aber, wenn auch ich ein Typ gewesen wäre, der nicht ganz geheuer ist und böse Absichten gehegt hätte? Doch dann wären Sie ja sicher auch mit mir fertiggeworden, stimmt’s? Eben in der Form, wie Sie vorhin sagten, dass Sie im Notfall den Männern schon Paroli bieten können … auf subtile Weise …”
Lag da ein spöttischer Unterton in seiner Bemerkung? Flora lächelte ein wenig zerknirscht und merkte, wie es in ihrem Magen rumorte bei der Vorstellung, wie es wohl gewesen wäre, wenn dieser große Mann mit der so dunklen Stimme sie hätte belästigen wollen.
“Vor Ihnen hätte ich mich nicht gefürchtet, denn Sie sind ja nicht allein hier unterwegs, sondern mit Liam … Sie sind ein
Vater.”
“Und als Vater, meinen Sie, bin ich über jeden Verdacht erhaben … ungefährlich und immun gegen jegliche Form von Versuchung …? Aber, ich muss sagen, ich bin ja überwältigt von dem Zutrauen, das Sie mir entgegenbringen.”
Flora hatte nicht den Eindruck, dass er überwältigt klang, eher schon gelangweilt. Vielleicht glaubten ja auch glücklich verheiratete Männer gerne, dass sie immer noch eine gefährliche Ausstrahlung auf andere Frauen besaßen. Sie runzelte die Stirn. “Geht es Ihnen nicht auch manchmal so, dass Sie jemanden sehen und ganz instinktiv spüren, dass sie diesem Menschen ruhig vertrauen dürfen?” Kaum hatte sie diese Worte herausgebracht, war Flora zutiefst erschrocken über sich selbst. Wie, um Himmels willen, komme ich dazu, so etwas zu ihm zu sagen? Jetzt denkt er wahrscheinlich, dass ich mich irgendwie an ihn heranmachen will. Oje – aber es entsprach schlicht der Wahrheit –, Flora hatte nun einmal instinktiv dieses Empfinden …
Zu ihrer großen Erleichterung überspielte Josh diese für sie unangenehme, ihr auch peinliche Situation. “Sagten Sie nicht eben, Sie wollten sich dringend umziehen? Dann gehen Sie jetzt – ich vertrete mir mit Liam ein wenig die Füße und passe dabei auf, dass Sie von niemandem behelligt werden.”
“Ja … ? Na dann … vielen Dank …”
Josh wachte mit einem Auge über
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