Julia Extra Band 0198
Blick auf sein Gesicht gerichtet, um nicht wieder zu dem nackten Oberkörper abzuschweifen.
“Vielleicht ist es ja gar kein Zufall, sondern Schicksal.” Herrje, wieso habe ich denn jetzt bloß so etwas laut gesagt, dachte sie mit einem leisen Stöhnen.
“Glauben Sie das?” Er nahm eine Mistgabel vom Boden auf, stieß sie in die Erde und lehnte sich dann auf den Stiel, um so angenehmer sein Gegenüber anschauen zu können. Flora fühlte sich sofort unwohl, so unverhohlen beäugt zu werden. “Glauben Sie an so etwas wie Vorsehung und höhere Fügung?”
Ihre Augen spielten ihr jetzt einen Streich, denn ihre Neugierde hatte inzwischen den Siedepunkt erreicht, und so blickte Flora nun doch einmal flüchtig auf den schlanken Oberkörper mit dem dennoch muskulösen Brustkasten und dann auf den Waschbrettbauch. In Floras Bauch regten sich Schmetterlinge.
“Vorsehung … höhere Fügung? Nein, natürlich glaube ich an so etwas nicht”, gab sie energisch zur Antwort; ihr Ton klang leicht ungehalten. Für wie töricht hielt er sie eigentlich? “Sie sind also hier zu Hause?” Gerade erst fiel ihr auf, dass er ihr bei der ersten Begegnung nicht verraten hatte, woher er kam und was er beruflich machte. Für ihr Befinden sah er nicht gerade wie der typische Farmer aus, aber was verstand sie als Großstadtkind schon davon?
“Nein, ich bin nur vorübergehend hier, um bei bestimmten Arbeiten zu helfen.”
Ein Saison-Farmarbeiter also wohl! Doch dies erschien ihr noch unwahrscheinlicher, als wenn er behauptet hätte, ein richtiger Farmer zu sein. Bei ihrer ersten Begegnung hatte sie ihn unbedingt so eingeschätzt, dass er in seinem Job vielleicht keine Anweisungen erteilte, aber ganz bestimmt auch niemand war, der welche von anderen entgegennahm. Und irgendwie hatte er etwas von einem Einzelkämpfer an sich.
Ihr eigener Vater war stets stolz gewesen auf seine bescheidene Herkunft als Sohn eines Bergmanns; durch ihn hatte Flora früh gelernt, keine hochnäsigen Vorurteile gegenüber Handarbeitern zu hegen. Wenn ein Mann seine Arbeit vornehmlich mit seiner Muskelkraft verrichtete, so hieß das keineswegs, dass er keinen Verstand besaß. Und ein Blick auf diesen Mann hier genügte, dies zu belegen – seine Augen hatten eine außergewöhnliche Ausstrahlung, und sein Blick wirkte ungewöhnlich intelligent.
Doch dieser Mann war auch ein alleinerziehender Vater. Ein Kind kostete viel Geld, und er selbst hatte ja, so schien es zumindest, keine qualifizierte berufliche Ausbildung. Unter diesen Umständen konnte er es sich wahrscheinlich nicht erlauben, allzu wählerisch zu sein, was Jobs betraf. Ihr selbst waren derlei Sorgen gänzlich fremd. Plötzlich empfand Flora so etwas wie Mitleid und ein Schuldgefühl, dass ihr eigener Alltag so viel leichter war.
“Du nennst das Hilfe, was du da gerade machst?” Ein großer Rotschopf kam vorbei und klopfte Josh auf die Schulter. Dabei musterte er Flora interessiert und schenkte ihr einen bewundernden Blick.
Flora blieb etwas verkrampft stehen, Josh dagegen lächelte den Mann unerschrocken an. “Flora, dieser Bulle von Mann hier ist Geraint Jones, und Geraint, darf ich dich mit Flora bekannt machen – sie wohnt gerade für eine Weile unweit von hier.”
Nachdem die drei ein paar höfliche Floskeln ausgetauscht hatten, verabschiedete sich Geraint. “Na dann noch viel Spaß. Und mal sehen, Josh, ob du heute noch dazu kommst, den Malerpinsel zu schwingen und die Latten da zu streichen.” Er sprang auf einen Traktor und ließ den Motor an.
“Ein schnittiger Typ, nicht?”, meinte Josh sarkastisch, als Geraint auf dem Traktor davonratterte. “Und besonders immer dann, wenn er einer schönen und aparten Frau begegnet.”
Schön und apart war Flora in ihrem Leben schon des Öfteren genannt worden, es war also beileibe nichts umwerfend Neues für sie – warum aber bekam sie da gerade jetzt, wo Josh sie so bezeichnete, weiche Knie?
“Sind Sie vielleicht Maler von Beruf?”, fragte Flora rasch, um von dem Kompliment abzulenken. Beim Blick auf die Holzlatten schoss ihr plötzlich eine Idee durch den Kopf, die sie allerdings selbst gar nicht so gut fand. Trotzdem …
“Das ist nicht ganz falsch”, meinte Josh etwas zaghaft.
Da konnte Flora nicht anders, als sich über ihre fixe Idee nun doch zu begeistern. “Wenn das so ist – ich weiß nicht, wie Ihr Terminplan momentan aussieht, aber …?”
“Flexibel”, antwortete er sogleich ganz offen.
“Nun, möglicherweise
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