Julia Extra Band 0198
das jetzt nicht nur, damit Sie mich vom Leibe halten, weil ich nicht zu denen gehöre, die in schicker Aufmachung und schnittigem Sportwagen bei Ihnen vorgefahren kommen.” Seine Stimme klang jetzt kalt und voller Hohn.
Er schafft es, mich vollkommen in die Defensive zu drängen, dachte Flora missmutig. Dabei, was ihre Haltung zu anderen anging, hatte sie noch nie jemanden rein nach dem äußeren Erscheinungsbild oder gar nach dessen Bankkonto beurteilt, wohingegen ihr genügend Leute bekannt waren, die dies taten.
“Halten Sie mich etwa für eitel und snobistisch?”
Er schien einen Moment ernsthaft darüber nachzudenken. “Um grundlegende Urteile über Sie abzugeben, kenne ich Sie noch nicht gut genug – noch nicht.”
Flora gefiel diese letzte versteckte Anspielung überhaupt nicht. Und ebenso wenig der Umstand, dass sie jetzt spürte, wie ihre Pulsfrequenz merklich anstieg.
“Also, wollen Sie den Job nun haben oder nicht?” Mittlerweile bedauerte sie es schon, ihm dieses gut gemeinte Angebot unterbreitet zu haben. Was kümmerte sie sich eigentlich um ihn? Der Mann war bislang auch ohne ihr Zutun über die Runden gekommen, und er sah dabei keineswegs unterernährt aus – im Gegenteil!
Josh steckte beide Daumen in den Hosenbund und blickte nachdenklich drein. “Wie sieht’s denn mit dem Entgelt aus?”
“Entgelt …” wiederholte sie, sichtlich überrumpelt.
“Nun, Sie hatten doch sicher nicht erwartet, dass ich die Arbeit ganz unentgeltlich verrichte, oder?”
Flora presste die Lippen aufeinander; er hatte wirklich den Bogen raus, sie in eine Position zu manövrieren, in der sie eine absolut alberne Figur machte. Normalerweise war sie als Anwältin recht schlagfertig; dieser Mann dagegen brachte sie völlig aus dem Gleis!
“Natürlich nicht, wie Sie sich wohl denken können. Ich habe nur noch nicht richtig über alles nachgedacht …” Herrje, wo blieb nur gerade ihre gewohnte Professionalität, ihr sonst so gewandtes Denken und flottes Reagieren auch in geschäftlichen Dingen? Sie räusperte sich, beflissen, die Situation in den Griff zu bekommen und einen sachlichen Ton anzuschlagen. “Nun, wie lautet denn Ihr Kostenvoranschlag?”
Er nannte einen Betrag, und sie nickte wohlmeinend.
“Klingt nach einem fairen Preis”, sagte sie mit betontem Ernst, auch wenn sie fachlich wenig Ahnung hatte, worüber sie da gerade urteilte. Aber falls er jetzt versuchte, sie übers Ohr zu hauen, dann würde sie eben am Ende notgedrungen einen Differenzbetrag aus ihrer eigenen Tasche dazulegen; Claire sollte jedenfalls nicht darunter finanziell leiden, dass ihre Freundin den Auftrag so umstritten ausführte.
“Na gut, die Sache ist also abgemacht.”
Flora starrte auf seine kräftige Hand, als sei sie eine Schlange. Als sie sich dann zögernd auf seinen Händedruck einlassen wollte, als er seine Hand nach ihrer ausstreckte, zog ihr ein Hauch des Dufts seines Aftershaves in die Nase. Sie verspürte ein Kribbeln im Bauch und versuchte, nicht einzuatmen.
Doch statt des Händeschüttelns nahm er ihre Hand und führte sie hinauf an seine Lippen. Flora empfand dies im ersten Augenblick als ein wenig albern, aber schon im nächsten fand sie gar nichts mehr lächerlich daran – sie schmolz vielmehr dahin!
Er hob den Kopf und blickte ihr direkt in die Augen; sein silbrig grau schimmerndes Augenpaar wirkte sinnlich und bedeutungsschwanger. Und genau in diesem Augenblick wurde Flora sonnenklar, welch großen Fehler sie begangen hatte, sich auf eine Aktion einzulassen mit diesem Mann … und, wenn man es genau betrachtete, ihn geradezu anzulocken.
Beruhige dich, redete sie sich jetzt selbst gut zu, als sie spürte, wie verrückt ihr Herz schlug. Es ist doch keine Situation, der du nicht gewachsen wärest, wofür hast du schließlich ein gewisses Alter erreicht und allerhand Lebenserfahrungen gesammelt? Sie war hier, um ihre Lungen mit frischer Landluft zu füllen und sich bei so harmlosen Unternehmungen wie Wandern oder sich mit den Schafen unterhalten zu erholen. Es kam gar nicht infrage, womöglich schwülwarmen Tagträumen nachzuhängen – dies wollte und würde sie sich nicht antun.
Vielleicht hatte er ja doch eigentlich überhaupt keine Zeit für diesen Auftrag. “Wissen Sie”, begann sie und verschränkte, da ihr die Hände leicht zitterten, entschieden die Arme vor der Brust. “Wenn Ihr Terminkalender womöglich eigentlich doch schon voll ist, dann könnten Sie für Claire ja vielleicht auch
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