Julia Extra Band 0198
könnte ich Ihnen da einen Auftrag verschaffen. Meine Freundin Claire, deren Ferienhaus ich gerade bewohne, bat mich, jemanden aufzutun, der ein kleines Zimmer für sie frisch malert. Es soll ein Kinderzimmer werden, denn sie hat vor Kurzem ein Baby bekommen.” Flora hielt kurz inne und lächelte – wie Josh fand, ein wenig sentimental. “Claire würde sich freuen, wenn das Zimmer bis zu ihrer Rückkehr kurz vor Weihnachten fertig wäre. Wenn Sie also Interesse hätten …”
“Sie bieten mir einen Job an?” Er sah sie leicht erheitert an.
“Sie würden ja nicht für mich arbeiten”, stellte Flora ausdrücklich klar, denn daran war ihr viel gelegen. “Ich handele ja bloß in Claires Auftrag.”
“Ich soll also ein Zimmer tapezieren und malern?”
Flora sah ihn erstaunt an. Was war für ihn daran so außergewöhnlich, wenn er Maler war? Und jetzt sah er auch noch so aus, als wollte er gleich in schallendes Gelächter ausbrechen!
Vielleicht hatte sie ihn gerade irgendwie in seinem männlichen Stolz verletzt, hatte als zu selbstverständlich vorausgesetzt, dass er sich über ihr Angebot freuen würde. “Natürlich nicht, wenn Sie anderweitig schon gut ausgelastet sind …”
“Gut ausgelastet …?” Er sah sie keck von der Seite an. “Hätten Sie denn keine Befürchtung, dass ich Sie erneut küssen könnte?”
Diese gänzlich unerwartete Frage traf Flora wie ein Hammer. Doch dann flüsterte eine verwegene innere Stimme ihr zu: Fändest du es nicht viel trauriger, wenn er es nicht noch einmal täte?
Flora holte tief Luft und baute sich bewusst souverän vor dem schönen Mann auf. “Dass das noch einmal geschähe, das halte ich doch für ziemlich unwahrscheinlich”, sagte sie in absichtlich etwas überheblichem Ton und lächelte. “Mir ist durchaus klar, dass dies neulich bloß geschah aus …”
Neugierig zog Josh beide Brauen hoch und sah Flora erwartungsvoll an, derweil sie nach den passenden Worten suchte. Sie errötete.
“Aus einem momentanen Impuls heraus”, sagte sie schließlich in leicht abfälligem Ton.
“Vielleicht war es ja sogar eine richtige Verirrung der Gefühle.”
Er schien sich über den Vorfall lustig zu machen. Sie runzelte angesichts dieser Provokation verärgert die Stirn. Diese blöde Episode ihres Küssens musste endlich ein für alle Mal begraben werden. “Nur etwas zu Ihrer Information – ich habe mich gerade erst von meinem Verlobten getrennt. Einen Mann zu küssen, danach steht mir momentan überhaupt nicht der Sinn.”
“Warum das denn?”
Flora sah ihn erschrocken an.
“Die Trennung von Ihrem Verlobten, meinte ich.”
Sie funkelte ihn an. “Das geht Sie doch überhaupt nichts an!”
“Oh, Entschuldigung.” Leicht theatralisch hob er beide Hände in die Höhe. “Sensibles Thema. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.” Die scheinbar rücksichtsvollen Worte klangen allerdings etwas ironisch, was Flora noch mehr provozierte.
“Überhaupt kein sensibles Thema”, ließ sie sich aus der Reserve locken. “Ganz einfach – Paul wollte, dass ich eine Entscheidung treffe, und ich habe leider in seinen Augen falsch entschieden.” Paul hatte mit Erstaunen reagiert, als Flora überhaupt nicht hatte einsehen wollen, dass sie sich von ihrem beschuldigten Vater distanzieren sollte. Wütend hatte Paul ihr unterstellt, ihre treue Verteidigung des Vaters speise sich aus purem Eigennutz. “In Wirklichkeit war Paul ein oberflächlicher, konfliktscheuer Typ … und unsolidarisch – für ihn war ausschließlich wichtig, dass er selbst in kein Problem hineingezogen wird und er nach außen hin etwas darstellt!”
“Sie sind aber nicht ganz im Bösen auseinandergegangen …?” Josh hielt den Blick immer noch interessiert auf Flora gerichtet.
“Ich möchte darüber jetzt gar nicht weiter reden, sondern wollte bloß erklären, wieso Küssen derzeit kein Thema für mich ist.”
Flora konnte nicht umhin, sich jetzt in Erinnerung zu rufen, dass er bei jenem Kuss sowieso nicht unbedingt hingerissen gewirkt hatte, also würde er sie wahrscheinlich ohnehin nicht wieder küssen wollen. Und wenn er, wie er ihr gestanden hatte, schon lange keine Frau mehr geküsst hatte, dann wollte sie jetzt auch nicht womöglich bloß als so etwas wie eine therapeutische Maßnahme für ihn herhalten. Obschon – sie ließ den Blick noch einmal schwelgend über seinen so attraktiven Körper schweifen – selbst das böte sicher keinen geringen Genuss …
“Nun, Hauptsache, Sie sagen
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