Julia Extra Band 0198
als Liebe und Bewunderung für ihre Mutter gelegen hatte.
Julia war beim Haus angekommen und parkte den Wagen bei der Hintertür. Wo waren die Jahre geblieben? Die Zeit war so schnell vergangen. Und jetzt war Kelly ein Teenager. Mit all den typischen unvernünftigen Wünschen und Vorstellungen und Forderungen eines Teenagers!
Sie war regelrecht melancholisch, als sie ausstieg und die sperrige Kühlbox mit Perlhühnern aus dem Kofferraum hob. Es war nur eine kleinere Party, die Charlotte und sie heute Abend ausrichteten, aber die beiden stolzen Geschäftsführerinnen des “Gold Ribbon Partyservice” hatten es sich zum Grundsatz gemacht, dass ihr Essen stets frisch und auserlesen war, ganz gleich, wie viele Gäste sie zu versorgen hatten.
Erwartungsvoll drückte Julia die Kühlbox gegen die Tür. In wenigen Augenblicken, während sie die Perlhühner mit der Füllung aus Kräutern und wildem Reis, eine Spezialität von Gold Ribbon, stopfen würden, könnte sie endlich all ihre Sorgen mit ihrer Partnerin besprechen.
Charlotte war sehr taktvoll, sie ergriff grundsätzlich nie Partei, wenn Julia ihr ihr Herz über die letzte Reiberei mit ihrer Tochter ausschüttete. Aber Julia war sicher, dass Charlotte über dieses neu aufgetauchte Problem ebenso denken würde wie sie.
Verabredungen! Rendezvous mit Jungen! Allein der Gedanke, dass sich ihr vierzehnjähriges Mädchen mit irgendeinem halbwüchsigen Jungen traf, jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken.
Die schwere Kiste zwischen Hüfte und Arm geklemmt, klopfte Julia mit der freien Hand an den Türrahmen.
Kelly war vierzehn. Himmel noch mal! Viel zu jung für Verabredungen! Julia hatte dieses Argument auch bei Kelly angebracht, sehr sachlich und sehr bestimmt, um ihrer Tochter von vornherein jegliche Flausen aus dem Kopf zu treiben, dass sie überhaupt eine Chance hätte, die Erlaubnis zu bekommen, mit diesem Jungen ins Kino zu gehen. Das weinerlich vorgebrachte Gegenargument, dass es sich dabei um “den knuffigsten und süßesten Jungen aus der ganzen neunten Stufe” handle, hatte Julia in ihrem Beschluss nur noch bestärkt. Es waren die “knuffigen” und “süßen” Jungen, die eine Mutter besonders fürchten musste!
Die Kühlbox begann zu rutschen, und Julia griff hastig nach, um sie zu sichern. Das fehlte ihr jetzt noch – ein Dutzend Perlhühnerleiber im Blumenbeet!
Wo blieb Charlotte? Diese Kühlbox wurde mit jeder Sekunde schwerer.
Sie klopfte noch einmal, diesmal lauter. Als immer noch keine Antwort kam, kramte sie umständlich in ihrer Tasche nach dem Schlüsselbund und ließ sich selbst ins Haus ein. In der geräumigen Küche stellte sie die Kühlbox aufatmend auf den großen Tisch.
“Hallo!”, rief sie laut. “Ist jemand zu Hause?”
Nichts regte sich im Haus. Mit einem verträumten Lächeln sah Julia sich um: der blank gescheuerte, lange Eichentisch, die polierten antiken Küchenschränke aus warmem Holz mit den handbemalten Griffen … Sie liebte diesen Raum. Liebte dieses Haus. Charlotte hatte das Haus vor achtzehn Monaten erstanden – sie hatte einen Teil der Abfindung aus ihrer Scheidung als Anzahlung benutzt.
Julia kannte Charlotte schon seit Jahren. Als alleinige Eigentümerin von Gold Ribbon hatte sie damals viele Dinnerpartys ausgerichtet, die Charlotte für die Geschäftspartner und Freunde ihres Mannes, eines einflussreichen und hoch angesehenen Wilmingtoner Geschäftsmannes, gegeben hatte. Charlotte selbst war während dieser Partys meist in der Küche zu finden gewesen, wo sie ihrer Leidenschaft frönte – dem Kochen.
Julia hatte sich nur wundern können, mit welcher Energie und Entschlossenheit Charlotte sich von der Scheidung erholt hatte. Anstatt in Selbstmitleid zu ertrinken, hatte sie sich dem Leben gestellt. Sie hatte sich bei Julia sogar um eine Stelle als Koch beworben, doch Gold Ribbon war einfach zu klein für zwei Küchenchefs. Also hatte Charlotte kurzerhand vorgeschlagen, sich in den Partyservice einzukaufen. Erst da war Julia bewusst geworden, wie hoch die Abfindungssumme gewesen sein musste.
Julia war auf das Angebot eingegangen. Zwar war Charlotte keineswegs eine Geschäftsfrau, aber ihre kulinarischen Fähigkeiten waren ein seltenes Talent. Außerdem kannte Charlotte durch ihre Ehe mit dem bekannten Geschäftsmann Gott und die Welt – eine offene Tür zu einem ungeheuren Potenzial an neuen Kunden.
Mittlerweile hatten sie einen so großen Kundenstamm akquiriert, dass sie ihn kaum bewältigen konnten.
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