Julia Extra Band 0198
fuhr sich mit der Hand über die bloße Brust und erwartete, eine nasse Handfläche zu fühlen.
Staubtrocken. Er sah verwundert auf seine Hand. Himmel, wie lange stand er eigentlich schon hier halb nackt in der Küche? Die gleiche Frage schien Charlotte zu beschäftigen, es stand ihr deutlich auf der Stirn geschrieben.
Herrgott noch mal, er war ein erwachsener Mann! Er brauchte sich nicht vor seiner Cousine zu rechtfertigen! Also warum musste er sich dann zusammenreißen, um nicht verlegen den Blick zu senken und mit der Fußspitze über den Boden zu scharren? Er reckte das Kinn, entschlossen, diesen Raum mit Würde zu verlassen.
“Ich gehe jetzt nach oben, mich anziehen”, knurrte er Charlotte zu. Und damit drehte er sich um und eilte aus der Küche.
“Soso.” Charlotte kam zum Tisch und legte die Tüte mit frischen Brötchen ab. Ihr durchtriebener Ton verriet Julia, dass sie sich noch einiges an Kommentaren von ihrer Freundin würde anhören müssen. “Da rase ich also in lebensgefährlichem Tempo durch die überfüllten Straßen, mit einem nagenden Gewissen, dass du mit den Vorbereitungen für die heutige Party ganz allein zurechtkommen musst, und …”
“Charlotte, hör zu, es war nicht …”
“Und dabei hattest du die ganze Zeit über einen kräftigen Mann zur Verfügung, der dir zur Hand gehen konnte und die schwere Kühlbox getragen hat. Ich hätte mir also gar keine Sorgen zu machen brauchen.”
“Ryan hat die Kühlbox nicht getragen”, protestierte Julia.
Aber weder das verschmitzte Lächeln noch das spitzbübische Funkeln in Charlottes Augen wurden schwächer. “Bei all den Sorgen, die ich mir um dich gemacht habe, und in der Hektik hätte ich mich glatt zu Tode fahren können.” Sie knabberte an einem Brötchen und fügte anklagend hinzu: “Bei all dem Verkehr.”
Julia stützte die Hände in die Hüften. “Da war überhaupt kein Verkehr. Die Straßen sind völlig frei! Immerhin bin ich auch gerade hier herausgefahren. Und was das ‘zu Tode fahren’ angeht”, jetzt witzelte Julia gut gelaunt mit, “bei deinem Fahrstil könnte so etwas nie passieren. Du fährst wie ein übervorsichtiger Sonntagsfahr…”
Charlotte hob grinsend den Zeigefinger. “Sage es nicht! Keine Beleidigungen, bitte!”
Julia seufzte. “Du hast recht, es gibt genug zu tun.” Sie ging zur Kühlbox und begann die Perlhühner herauszuheben. “Hol doch mal die Füllung”, bat sie Charlotte.
“Sicher.” Charlotte nahm die große Schüssel mit der Füllung aus dem Kühlschrank. “Aber bilde dir bloß nicht ein, dass du darum herumkommst, mir genauestens zu erzählen, was du von meinem umwerfenden Cousin hältst.”
Ryan Shane war mit Sicherheit das letzte Gesprächsthema, auf das sie sich einlassen wollte. Sie konnte es ja selbst noch nicht fassen, wie beeindruckt sie von ihm war. Von seinem attraktiven Gesicht, seinem durchtrainierten Körper, seinem jungenhaften Charme, seiner männlichen Ausstrahlung. Und sie hatte keinesfalls vor, diese Eindrücke zu äußern, bevor sie sie nicht selbst verarbeitet hatte – auch nicht vor ihrer besten Freundin.
“Er scheint ganz nett zu sein”, sagte sie lahm. Irgendeine Antwort musste sie schließlich geben, um Charlotte nicht misstrauisch zu machen.
Diese wirbelte herum. “Nett?”, wiederholte sie entrüstet. “Wir sind zwar verwandt, aber das bewirkt nicht, dass ich blind werde. Dieser Mann ist …” sie suchte nach dem passenden Wort, “… einfach umwerfend!”
Julia biss die Zähne zusammen. “Das sagtest du bereits. Können wir jetzt endlich diese Hühner stopfen? Wir haben nur noch fünf Stunden und sehr viel zu tun.”
“Ja, ja, schon gut”, gab Charlotte nach. “Außerdem weiß ich sowieso nicht, warum ich mir Hoffnungen mache.”
Diese Bemerkung ließ Julia mitten in der Bewegung erstarren.
“Mein anbetungswürdiger Cousin scheint ebenso etwas gegen Beziehungen zu haben wie du.”
Julia wartete gespannt darauf, dass Charlotte diese Bemerkungen weiter ausführen würde, doch die Freundin tat ihr den Gefallen nicht. Sie beschäftigte sich angelegentlich damit, die notwendigen Zutaten hervorzuholen und auf dem Küchentisch zu arrangieren. Offensichtlich war Charlotte längst zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung übergegangen. Und es ärgerte Julia ungemein, wie enttäuscht sie darüber war.
“Also”, hob Charlotte jetzt an, “und wie geht es Miss Kelly heute?”
Diese eine Frage brachte Julia ganz schnell wieder in die
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