Julia Extra Band 0198
sie sich ein paar Tagträumereien erlaubte?
Ryans Mund zog eine heiße Spur über ihren Hals, seine Hand massierte die empfindsame Mulde an ihrem Rücken, streichelte ihre Schulter, ihren Nacken. Er beugte den Kopf, die saphirblauen Augen voller Verlangen und Sehnsucht nach ihr. Sein Mund kam näher, immer näher, presste sich auf ihre Lippen, zwang sie mit seiner Zunge auseinander, um die warme Höhle ihres Mundes zu erforschen, zu erschmecken …
Mit einem Ruck setzte Julia sich auf, sodass das Wasser über den Badewannenrand schwappte, und riss die Augen auf. Ihr Atem ging schneller, ihr Puls raste.
Das Bild war so real gewesen. Erschreckend lebendig. Fast hatte sie seine Finger, seine Lippen wirklich gespürt.
Sie schüttelte den Kopf. Hier in der Wanne zu sitzen und sich Hirngespinste einzubilden, machte wahrlich keinen Sinn. Nicht nur, dass es keinen Sinn machte, es war ein Fehler. Ein sehr großer Fehler. Und nur, weil er mit diesem makellosen Körper so urplötzlich aufgetaucht war.
Kellys Musik drang in ihre erschreckten Gedanken, und plötzlich runzelte Julia die Stirn. Dieses Lied spielte jetzt, seit sie nach Hause gekommen war. Das Mädchen hatte wirklich Ausdauer.
Die entspannte Stimmung war endgültig verflogen. Julia stieg aus der Wanne und trocknete sich ab. Sie musste einfach mit ihrer Tochter reden. So konnte sie nicht zu Bett gehen. Sie würde nie einschlafen können.
Das gibt nur wieder Streit, warnte sie sich in Gedanken, als sie vor Kellys Tür stand. “Tja, so ist das nun mal”, murmelte sie vor sich hin und klopfte an. Wenn sie sich wie die ruhige, sachliche Erwachsene verhielt, die sie war, vielleicht konnte sie Kelly ja klarmachen, warum sie sich sorgte. Vielleicht würde Kelly verstehen. Auch wenn die Chancen gering waren, ein Versuch war es wert.
Als sie keine Antwort erhielt, klopfte sie noch einmal und rief leise: “Kelly? Kelly, mach auf. Ich weiß, dass du nicht schläfst. Ich möchte mit dir reden.”
Nichts, keine Antwort, nur das schrille Jammern einer elektrischen Gitarre.
“Komm schon, Kelly. Ich weiß, dass du sauer auf mich bist, Schatz. Aber davon, dass wir uns anschweigen, wird es auch nicht besser. Wir sollten das wirklich miteinander ausdiskutieren.”
Miteinander diskutieren, das war wichtig. Mit ihrem Vater hatte Julia das nie gekonnt. “Bitte, Kelly, lass mich rein.”
Keine Reaktion. Kelly konnte wirklich stur sein, wenn sie wollte, aber das wunderte Julia nicht. Kelly hatte das von ihr geerbt, kein Zweifel. Julia überlegte, was als nächster Schritt angebracht sei. Der zweite Türschlüssel lag oben auf dem schmalen Holzrahmen der Tür. Julia reckte den Arm und fingerte danach.
“Okay, Herz, ich komm jetzt herein, ja?” Sie steckte den kleinen Schlüssel in den Türknauf und drehte um.
Mondlicht flutete durch die zurückgezogenen Vorhänge ins Zimmer und eine leichte Brise wehte durchs offene Fenster, als Julia eintrat. Das Licht des Mondes reichte aus, um die gekrümmte Gestalt unter der Bettdecke zu erkennen.
Julia setzte sich auf den Bettrand und legte eine Hand auf den Hügel unter der Decke. “Komm schon, Liebes, du kannst doch nicht ewig eingeschnappt …”
Mit gerunzelter Stirn brach Julia ab. Irgendwie fühlte sich etwas nicht richtig an, irgendetwas stimmte hier nicht. Ihre Finger griffen in die Decke und zogen sie mit einem Ruck fort.
Kissen! Drei Kissen, ordentlich positioniert, um eine menschliche Gestalt vorzutäuschen! Mit einem schrecklichen Verdacht sprang Julia auf und rannte zum Fenster. Eine Leiter!
Kelly hatte sich also aus dem Haus geschlichen, zu ihrer Verabredung, obwohl Julia es ihr ausdrücklich verboten hatte!
Sorge, hilflose Wut und Enttäuschung übermannten sie. Mit zitternden Fingern und brennenden Augen nahm Julia die Stoffpuppe und drückte sie an ihre Wange. Das Verhältnis zu ihrer Tochter würde nie wieder das gleiche sein.
Seit über einer Stunde saß Julia im Dunkeln, die Puppe fest an sich gedrückt, und wartete auf die Rückkehr ihrer Tochter. Denn dass Kelly plante zurückzukehren, war ihr klar geworden, nachdem sie sich von der Panik, ihr Kind wäre von zu Hause fortgerannt, frei gemacht und die Dinge nüchtern betrachtet hatte: die Leiter am offenen Fenster, die Kissen unterm Bett und der auf Endlosspiel programmierte CD-Spieler, um die Mutter zu täuschen.
Nun, heute Abend würde der Teenager Kelly einen Schritt weiter in Richtung Erwachsenwerden machen: Kelly würde erkennen müssen, dass nicht
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