Julia Extra Band 0198
Wohnung gefunden hatte und sich mitten im Umzug befand. Außerdem hatte er eine Sekretärin eingestellt und so viel neue Klienten angenommen, dass er sogar daran dachte, sich einen Rechtsanwaltsgehilfen in die Kanzlei zu holen.
Sie freute sich für Ryan. Sie war froh, dass alles so gut für ihn lief. Sie hegte keinen Groll gegen ihn. Schließlich war sie es gewesen, die Gefühle in ihre Abmachung gebracht hatte. Jetzt musste sie eben den Preis für ihre eigene Dummheit zahlen.
Ryan traf keine Schuld. Ryan hatte nur das genommen, was sie ihm so willig angeboten hatte, und das war schließlich nicht strafbar.
So wenig, wie er wusste, dass er ihr Herz eingenommen hatte, war ihm wahrscheinlich auch nicht bewusst, dass er ihr das fehlende Teilchen in dem Puzzle geliefert hatte, warum sie und ihre Tochter sich wegen Verabredungen mit Jungen ständig in den Haaren lagen.
Sie hatte an jenem Abend lange geweint. Sie hatte um sich selbst geweint. Um den Teenager, für den die erste Liebe eine schreckliche Enttäuschung gewesen war, um die Tochter, die keinen anderen Ausweg gesehen hatte, als von zu Hause wegzurennen, um die Frau, die den Fehler gemacht hatte, ihr Herz an einen Mann zu verlieren, der ihren Körper “genießen” wollte. Und sie hatte darüber nachgedacht, was sie Ryan von sich, von ihrer Vergangenheit erzählt hatte.
Die Erinnerungen an ihren Vater waren alles andere als angenehm – ein sturer, unnachgiebiger Despot, von dem sie sich ständig kontrolliert gefühlt hatte. Sie hatte ihr Leben gehasst – und ihren Vater. War das wirklich das, was sie für Kelly wollte?
Und dann war ihr endlich die Einsicht gekommen. Sie musste mit Kelly reden. Musste ihr von ihrer eigenen Vergangenheit erzählen. Anders würde Kelly nie begreifen. Bisher hatte Julia versucht, Kellys natürlich wachsendes Interesse am anderen Geschlecht mit einem strikten Nein zu unterbinden. Keine Erklärungen, keine Begründungen, keine vernünftigen Argumente. Nur ein Verbot. Wie konnte sie denn erwarten, dass Kelly ihr gehorchte, wenn sie nicht bereit war, offen über dieses Thema zu sprechen?
Kein Wunder, dass Kelly gegen diese unerklärt erlassene Regel rebellierte.
“Mom?” Kelly stand im Türrahmen zu ihrem Büro und machte einen kleinen Schritt vor. “Mom, wir müssen reden.”
Etwas in der zögerlichen Art, in den dunklen, besorgt dreinblickenden Augen ihrer Tochter alarmierte Julia. Es wirkte fast so, als sei Kelly auf einen Streit gefasst.
“Du hast recht”, sagte sie ruhig, “wir müssen miteinander reden.”
Kellys Augen blitzten erstaunt auf, doch was immer sie auf dem Herzen hatte, war stärker als die Neugier auf das, was ihre Mutter wohl zu sagen haben könnte.
“Setz dich doch, Schatz.”
Doch Kelly blieb stehen, wo sie war, und steckte sich nervös eine Haarsträhne hinters Ohr. Und dann sprudelte es aus ihr heraus, so, als wolle sie die mit Sicherheit unangenehm werdende Sache schnell hinter sich bringen.
“Sheila gibt am Samstag eine große Party bei sich zu Hause. Jungen sind auch dabei. Ich will hingehen.”
Die Ruhe, die Julia überkam, überraschte sie selbst. Noch vor wenigen Wochen wäre sie wahrscheinlich aufgebraust, empört, dass ihre Tochter es überhaupt wagte, in einem solchen Ton einen solchen Vorschlag zu machen. Wahrscheinlich hätte sie Kelly sofort auf ihr Zimmer geschickt.
Aber jetzt passte alles zusammen, das Bild war klar und deutlich. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Kelly sollte erfahren, warum und worüber ihre Mutter sich Gedanken und Sorgen machte. Und das hieß, ihr alles zu erzählen.
“Bitte, Kelly”, sagte sie sanft. “Setz dich doch, damit wir reden können.”
Kelly kniff argwöhnisch die Augen zusammen, so als könne sie ihren Ohren nicht trauen. Sie hatte mit einer sofortigen Ablehnung gerechnet, nicht damit, dass ihre Mutter mit ihr reden wollte. Also kam sie langsam vor und ließ sich in angespannter Erwartung auf der Stuhlkante nieder.
“Bevor wir über Sheilas Party sprechen, möchte ich dir etwas erzählen”, begann Julia. “Eine Geschichte.”
Kelly sah sie verdattert an. Sie hatte offensichtlich keine Ahnung, auf was ihre Mutter hinauswollte.
Aber davon ließ Julia sich jetzt nicht mehr aus dem Konzept bringen. “Es ist eine Geschichte, von der ich hoffe, dass sie dir verstehen helfen wird. Ich möchte, dass du verstehst, was ich für dich fühle, wie ich darüber denke, dass du langsam älter wirst und dich für Jungen interessierst. Es ist meine
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