Julia Extra Band 0198
eigene Geschichte, Kelly.”
Und sie begann. Erzählte leise und ruhig von ihrer Rebellion gegen ihren strengen Vater, davon, wie sie schwanger wurde, wie sie von zu Hause fortgerannt war. Natürlich nicht mit allen Details und allen hässlichen Ereignissen, aber sie versuchte ihrer Tochter zu beschreiben, wie allein und verlassen sie sich gefühlt hatte und wie schwer ihr Weg gewesen war. Und sie versuchte auch die Bitterkeit auszulassen, die sie für Kellys Vater und ihren eigenen Vater empfand. Das waren Gefühle, vor denen sie Kelly beschützen wollte.
Trotzdem war Kelly reif genug, sich ihren Teil denken zu können. “Kein Wunder, Mom, dass du nie mit mir über meinen Dad oder meinen Grandpa reden wolltest. Scheint, dass mein Vater ein echter Könner gewesen ist”, meinte sie ironisch.
“Er war kein schlechter Mensch, Kelly, er war einfach nur …” Ryans Beschreibung fiel ihr plötzlich ein, “… zu jung und unreif. Dein Vater hat den größten Fehler seines Lebens gemacht, als er … sich von mir angewandt hat.” Julia wollte nicht, dass Kelly sich abgelehnt vorkommen sollte, deshalb bezog sie es nur auf sich selbst.
Aber so leicht ließ Kelly sich nicht täuschen. “Tja, mich wollte er ja wohl offensichtlich auch nicht.”
Diese harte Wahrheit ließ sich nicht leugnen, aber Julia beschloss, das Positive hervorzuheben. “Aber ich wollte dich. Vom ersten Augenblick an, als ich erfuhr, dass du unter meinem Herzen heranwuchst. Ich liebte dich vom ersten Augenblick an, und ich wollte dich haben.”
Ihre Worte schienen Kelly ein wenig zu trösten, doch dann zog wieder ein Schatten über ihr Gesicht. “Mein Großvater wollte aber scheinbar auch nicht viel mit mir zu tun haben. Du hast gesagt, er sei zu krank gewesen, aber irgendwas stimmt da nicht. Wenn er so krank war, hättest du ihn doch nie alleingelassen. Es sei denn, du hattest einen zwingenden Grund dazu.”
Die Scharfsinnigkeit ihrer Tochter erstaunte Julia. Sollte sie lügen? Sollte sie irgendeinen fadenscheinigen Grund erfinden, warum sie ihr Zuhause verlassen hatte? Um ihren Vater in einem besseren Licht erscheinen zu lassen?
Nein. Keine Lügen. Aber auch nicht die ganze hässliche Wahrheit. “Kelly, lass mich dir sagen, dass Menschen in ihrem Leben an bestimmte Punkte kommen, an denen sie eine Wahl treffen müssen. Eine Wahl, die sich auf ihr ganzes Leben auswirkt. Und hier schließt sich der Kreis meiner Geschichte.” Julia sah ihre Tochter ernst an. “Ich habe meine Wahl getroffen, als ich noch ein Teenager war. Und diese Wahl hat mein Leben bestimmt. Du bist das größte Geschenk, das ich überhaupt bekommen konnte, Kelly, und ich würde dich für nichts auf der Welt aufgeben. Ich würde mich immer für dich entscheiden. Aber ich habe ein schweres Leben gehabt. Und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass du es leichter hast. Deshalb möchte ich, dass du es richtig und überlegt angehst.”
Kelly blinzelte. Einmal, zweimal. Dann kniff sie die Augen zusammen. “Du meinst Sex, nicht wahr? Du willst nicht, dass ich Sex habe.”
Julia war leicht schockiert. Sie hatte nicht erwartet, dass Kelly das Gespräch so schnell und direkt auf den Kernpunkt bringen würde.
“Himmel, Mom!” Kelly schnaubte. “Weißt du, ich hoffe ja, dass Tyler mich eines Tages küssen wird, aber im Moment … Sollte er auf die Idee kommen, schlage ich ihm unter Garantie die Nase ein!”
Julia hielt die Hand vor den Mund und räusperte sich, um nicht laut loszulachen. Vielleicht sollte sie Kelly jetzt etwas darüber erzählen, dass körperliche Gewalt keine Probleme lösen konnte, aber auf der anderen Seite … vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass Kelly so dachte und ihrem Romeo lieber eine blutige Nase verpasste, als sich unziemlich anfassen zu lassen.
“Du bist mir schon eine!” Julia schaute ihre Tochter liebevoll an. “Du scheinst wirklich alles unter Kontrolle zu haben, mehr, als ich dir zugestehen wollte.”
Kelly zuckte die Achseln. “Wir haben ja auch nie richtig darüber geredet.”
“Ich weiß. Und es war meine Schuld. Tja, was soll ich dazu sagen? Wahrscheinlich liegt es an der typischen Paranoia, die eine liebende Mutter befällt, wenn ihr Mädchen langsam flügge wird.” Sie lächelte schief und hoffte, Kelly würde es als Entschuldigung verstehen. “Und was nun die Party bei Sheila angeht …” Sie sah, wie kurz der Trotz in Kellys Augen aufblitzte, sich jedoch gleich wieder legte. Julia lächelte. “Du bist zu mir
Weitere Kostenlose Bücher