Julia Extra Band 0198
der sie sich damals geliebt hatten.
Die Umstände hatten es leider nicht zugelassen, dass sie sich schon vor sieben Jahren das Jawort hatten geben können. Und heute war keiner von ihnen mehr so heißblütig und spontan wie früher. Es gab zu viel, das nun zwischen ihnen stand. Außerdem wollte Hunter auf keinen Fall das Verhältnis zu seinem Sohn gefährden, indem er etwas Unüberlegtes mit dessen Mutter anstellte.
Doch er hatte vergessen, wie schön sie war. Irgendwie war es ihm über die Jahre gelungen, sich selbst einzureden, sie sei nur ein rothaariges, sommersprossiges, reiches Mädchen gewesen, das sich mit einem schüchternen Farmerjungen angefreundet hatte, weil sie beide Außenseiter gewesen waren. Nun stand sie mit ihrer feuerroten Mähne, den leuchtend grünen Augen und der zarten Alabasterhaut vor ihm und erinnerte ihn daran, wie es wirklich gewesen war. Sie war auf der Schule vielleicht nicht gerade beliebt gewesen, doch das hatte nicht an ihrem Aussehen gelegen. Je mehr er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm der eigentliche Grund für ihre Isolation. Sie hatte immer mehr als andere gewollt – und für sie war
er
mehr gewesen.
Ihr Glaube an ihn und seine Fähigkeiten hatte ihn in einer kritischen Phase seines Lebens aufgebaut und letztendlich zu dem gemacht, was er heute war. Und obwohl er es jetzt nicht wagen konnte, ihr etwas von ihrem gemeinsamen damaligen Traum zu geben, konnte er ihr dennoch mit Ehrlichkeit, Rat und Geld zur Seite stehen. Wenn sie die aktuellen Probleme in den Griff bekommen wollten, mussten sie ihre Fantasien vergessen und sich der Realität zuwenden.
Während er sich in der gemütlichen Küche umsah, überlegte Hunter, ob das wohl auch der Grund dafür war, dass sie hierblieben, anstatt ins Wohnzimmer zu gehen. Dies war der vertraute Ort und damit auch die Realität für sie beide. Er sollte sich ohnehin das Tagträumen verkneifen, denn eigentlich hatte er die Fantasien über sich und Abby schon vor Jahren abgelegt. Es konnte doch wirklich nicht sein, dass er sich nun einen Rückfall gestattete! Er musste ebenso praktisch wie Abby denken.
Doch gerade in diesem Moment dachte Abby ganz und gar nicht praktisch oder vernünftig. Sie war viel zu nervös, um sich eine pädagogisch richtige Art zu überlegen, mithilfe derer sie ihrem Sohn den eigenen Vater vorstellen konnte. Dazu wurde ihr noch schlagartig bewusst, dass sie den stillen Fremden in ihrer Küche selbst überhaupt nicht kannte.
Sie hatte Hunter Wyman über alles geliebt, aber ihn nach all diesen Jahren wiederzusehen, war ziemlich befremdlich. Er war noch genauso attraktiv wie früher, nur seine geschäftsmäßige Fassade passte gar nicht zu ihm. Sie konnte den damaligen Hunter in diesem Mann nicht richtig wiedererkennen.
Ihr
Hunter hatte das Leben viel zu leidenschaftlich gelebt, und dazu passte diese steife Haltung nicht, die er heute an den Tag legte.
„Du hast dich sehr verändert”, bemerkte sie und zuckte zusammen, als er ihrem Blick begegnete. Selbst das warme, zuversichtliche Lachen war aus seinen schönen Augen verschwunden, mit denen er sie am Morgen noch bezaubert hatte.
„Ich musste mich verändern. Ich wollte ein besseres Leben haben.”
Das war ihr klar. Dieser Wunsch nach einem besseren Leben und der Mut und die Kraft, seine Pläne in die Tat umzusetzen, waren Eigenschaften gewesen, die sie schon früher sehr an ihm bewundert hatte. „Offenbar hast du alles erreicht, was du dir erträumt hattest.”
„Vielleicht sogar ein bisschen mehr”, gab er zu und setzte sich auf den Stuhl, den sie ihm anbot.
„Möchtest du einen Tee?”
Er lächelte. „Du erinnerst dich daran?”
Mit leicht geneigtem Kopf sah sie ihn an. „Ich erinnere mich an viele Dinge.”
„Genau wie ich”, stimmte er zu.
Sie hatte in seiner Stimme wenigstens eine Spur des Ärgers vermutet, schon allein wegen der Tatsache, dass sie ihn in der Küche sitzen ließ, genau wie ihre Eltern es damals getan hatten. Aber nicht eine negative Regung zeigte sich auf seinem Gesicht.
Wahrscheinlich hat er die Vergangenheit gründlich hinter sich gelassen, dachte sie und war unwillkürlich traurig. Das habe ich mir eigentlich immer für ihn gewünscht, aber nun kommt es mir wie ein Fehler vor. Es wirkt fast, als hätte er sich von seinen eigenen Wurzeln wegentwickelt.
Sie reichte ihm den Tee. „Bitte sehr”, sagte sie und klang dabei fast wie eine Bedienung in einem Café. Und beinahe hätte sie auch einen Witz darüber
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