Julia Extra Band 0198
auch keinen Wert, und so hielt sie sich ebenfalls zurück. Vor sieben Jahren hätte Hunter niemals Abby daran gehindert, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Er hätte sie sogar dazu ermutigt und seinen Teil dazu gesagt.
„Tatsache ist, ich will eine Beziehung zu meinem Sohn haben”, sagte er schließlich und nahm seinen Mantel vom Küchenstuhl. „Und wenn ich das nicht erreichen kann, solange du das Sorgerecht für ihn hast, werde ich es ebenfalls beantragen.”
Ohne ein weiteres Wort ließ er Abby allein. Sprachlos und mit hängendem Unterkiefer starrte sie auf die Küchentür, aus der er wenige Sekunden zuvor hinausgegangen war.
Was war das denn eben? schoss es ihr durch den Kopf.
Erst vermeidet er böse Worte, um dann mit einer Sorgerechtsklage zu drohen? Sein ganzes Verhalten macht absolut keinen Sinn. Bis eben habe ich geglaubt, er will überhaupt nichts von uns wissen, und jetzt walzt er wie ein Bulldozer in unser Leben. Eines ist klar: Diesen Mann kenne ich überhaupt nicht, und ich will mich, wenn überhaupt, mit dem Hunter auseinandersetzen, der dieser Mann vor sieben Jahren gewesen ist.
2. KAPITEL
Weniger war mehr. Jedenfalls soweit es Abbys Sohn betraf, und daher erwähnte sie Hunter erst einmal mit keinem einzigen Wort. Nicht am Abend und nicht am nächsten Tag auf dem Weg zur Schule. Als Tyler sie dann nach seinem Vater fragte, erklärte sie ihm in etwa das Gleiche, was Hunter zuvor schon seinem Sohn geschildert hatte. Nur den Anteil, den ihre Eltern an dem ganzen Schlamassel hatten, verschwieg sie dem Kind. Sie wollte nicht, dass Tyler wegen eines dummen Missverständnisses die einzige Familie hasste, die er gekannt hatte.
Und um ihrer selbst willen musste sie davon ausgehen, dass es ein Missverständnis gewesen war. Sie konnte nicht daran glauben, dass ihre Eltern Hunter mit einer Lüge aus der Stadt vertrieben hatten, wenn sie doch gemerkt haben mussten, wie sehr Abby ihn geliebt und wie sehr er diese Liebe erwidert hatte.
Bei dem Gedanken daran, wie tief seine Liebe gewesen war, musste Abby lächeln. Sie war auf dem Weg zum Restaurant und ließ dabei ihren Gedanken über die Vergangenheit freien Lauf. Hunter war so wundervoll gewesen, lustig, mitreißend und anziehend. Und so unglaublich leidenschaftlich! Er hatte das Leben geliebt und sich geweigert, sich von einer unglücklichen Kindheit auffressen zu lassen. Er hatte jemand werden wollen, und vor allem hatte er versprochen, sie mit auf diesen Weg zu nehmen.
Das war der Plan gewesen. Nackt und eng umschlungen hatten sie auf dem Rücksitz seines alten Wagens gelegen, während er ihr von seinen Träumen erzählt hatte. Und schon allein der Klang seiner Stimme hatte in ihr die Überzeugung geweckt, dass er mit allem, was er sagte, richtiglag. Er würde es erreichen –
sie beide
würden es zusammen erreichen.
Es war ihr fast unmöglich, den zurückgezogenen Fremden von heute mit dem außergewöhnlichen, lebenslustigen Mann von damals in Einklang zu bringen. Und als Abby später den Bewohnern von Brewster ihr Frühstück servierte, dachte sie noch immer darüber nach, wie innig Hunter sie damals geliebt hatte. Die Erinnerungen verfolgten sie und waren in ihrem Geist so lebendig und vollständig, dass sie sich verzweifelt nach einer Ablenkung davon sehnte, die sich ihr prompt bot. Ihre drei besten Freundinnen, Claire, Lily und Kristen, betraten das Restaurant, jede von ihnen mit einem Kleinkind auf dem Arm.
Die beiden Mädchen, Taylor und Annie, trugen rosa Kleidchen mit Rüschen, und Cody, der kleine Junge, hatte einen winzigen, blauen Matrosenanzug an. Die Kinder waren mittlerweile über ein Jahr alt und bekamen frische Milch für ihre Trinkbecher. Die drei Frauen bestellten sich Toast und Kaffee.
Obwohl sie es sich nicht anmerken ließen, wusste Abby genau, dass sie etwas über das Treffen mit Hunter hören wollten. Claire war eine attraktive Brünette und die Einzige von den dreien, die Abby schon seit ihrer Kindheit gekannt hatte. Aber auch zu Kristen, Grants Frau, und Lily hatte Abby mit der Zeit ein sehr gutes Verhältnis aufgebaut. Deswegen entschied sie sich auch, kein Geheimnis aus ihrem Treffen mit Hunter zu machen. Die Wahrheit würde ohnehin irgendwann ans Licht kommen.
„Er hat
was
gesagt?”, erkundigte Lily sich und riss ihre riesigen, blauen Augen verwirrt auf.
„Er hat mir angedroht, das Sorgerecht zu beantragen.”
Nach einem Blick in die Runde seufzte Abby und fragte sich, ob es Hunter gegenüber fair war, ihre
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