Julia Extra Band 0198
„Tyler?
Unser
Sohn?”, wiederholte er, und sein Gesicht war vor Schock ganz starr. „Wir haben einen Sohn?”
Fassungslos sah sie ihn an. Er kann es doch unmöglich leugnen, schoss es ihr durch den Kopf. „Du wusstest genau, dass ich schwanger war, als du gegangen bist.”
„Abby, deine Eltern haben mir gesagt, unser Baby wäre gestorben.”
Ihr wich die Farbe aus dem Gesicht. „Was?”
Hunter ließ sie endlich los und fuhr sich mit den Händen über die Augen. „Deine Eltern haben mir gesagt, du hättest eine Fehlgeburt gehabt. Und dass du mich nicht sehen wolltest. Dass du mir die Schuld an dieser Fehlgeburt gibst, weil ich dich aufgeregt hätte. Deshalb habe ich die Stadt verlassen.” Verzweifelt rieb er sich die Augen. „Mein Gott!”
Kraftlos ließ Abby sich auf einen Küchenstuhl fallen. Ihn nach all diesen Jahren wiederzusehen ist schon schlimm genug, dachte sie den Tränen nahe. Aber dass meine Eltern dazu beigetragen haben sollen, mich in die Knie zu zwingen! Ich weiß, dass sie ihn nicht gemocht haben, aber dass sie so weit gehen würden, mein Leben zu ruinieren und Tyler um seinen Vater zu bringen, hätte ich niemals für möglich gehalten.
Ihr Hals war wie ausgetrocknet. „Hunter …”
„Abby, glaubst du wirklich, ich hätte dich alleingelassen?”, fragte er. „Dass ich ein Kind alleinlasse? Meinen Sohn?”
Achtzehn Jahre alt, allein, verängstigt, schwanger und mit den Erklärungen ihrer Eltern, denen sie absolut vertraut hatte, war Abby alles schlüssig vorgekommen. Doch heute, mit fünfundzwanzig, dem verletzten Blick von Tylers Vater zu begegnen, riss ihr buchstäblich einen Schleier von den Augen und ließ sie die grausame Wahrheit erkennen. Der Schmerz war so groß, dass ihre Arme zu zittern begannen.
Hunter atmete tief durch. „Gut, lass uns jetzt nicht in Panik ausbrechen!”, begann er. „Ich bin hierhergekommen, um mich dafür zu entschuldigen, dass ich ohne ein Lebewohl verschwunden bin. Ich wollte deine Vergebung haben, damit wir beide die Vergangenheit ruhen lassen können. Jetzt hat sich der Plan natürlich geändert, aber wir können das Ganze in den Griff bekommen.”
Die erste Hälfte seiner Worte beruhigte sie, doch der letzte Teil klang ganz und gar nicht nach Hunter. Verwirrt betrachtete sie seinen edlen Mantel, den teuren schwarzen Anzug, und selbst seine Schuhe kosteten wahrscheinlich mehr als Tylers ganze Garderobe. Das Gesamtbild verstärkte Abbys Erkenntnis, dass wirklich sieben Jahre vergangen waren. Sieben Frühjahre, Sommer, Herbste und Winter. Sieben Weihnachtsfeste und Geburtstage.
Ihre Tagträume von Hunter als rettender Held auf einem weißen Pferd hatten ihr zwar durch unzählige schwierige Tage geholfen, aber im Grunde kannte sie diesen Mann überhaupt nicht. Schlimmer noch: Er war gekommen, um sie um Verzeihung zu bitten, damit er die Vergangenheit loslassen konnte, also
sie
loslassen konnte.
Er wollte sie vergessen …
„Warum hast du mir nichts von Tyler erzählt?”, fragte Hunter seinen Freund und Geschäftspartner, Grant Brewster, während er vor ihm auf und ab lief.
Grant war ein großer, schwarzhaariger Mann. Er lehnte sich behaglich in seinem dunkelroten Ledersessel zurück, der hinter einem massiven Mahagonitisch stand. Obwohl sein Vater, Norm Brewster, im Jahr zuvor gestorben war, war dieses Büro und vor allem dieser Sessel noch immer das Kommandozentrum für das ganze Imperium der Familie Brewster.
Seufzend verschränkte Grant die Arme vor seiner breiten Brust. „Woher sollte ich denn wissen, dass du von ihm nichts weißt?”
„Wie hätte ich davon wissen sollen?”
„Du hast mitten in dem Gerüchtetumult, dass Abby schwanger ist, die Stadt verlassen. Alle wussten, dass sie dein Baby bekommen würde. Ich habe mir gedacht, du hättest deine Gründe, zu verschwinden und das Baby zu ignorieren. Und wenn ich von deinen Gründen etwas hätte wissen sollen, hättest du es mir schon gesagt.”
Hunter blieb stehen. „Ihre Eltern haben mir gegenüber behauptet, sie hätte eine Fehlgeburt gehabt.”
Grant nickte nur, und Hunter ging nun weiter auf und ab.
„Ich hätte merken sollen, dass sie mich anlogen.”
„Hast du aber nicht”, unterbrach ihn sein Freund und klang dabei viel zu weise. „Du warst vielleicht vierundzwanzig Jahre alt, aber dennoch im Grunde unreif. Vergib dir selbst und blick nach vorn!”
„Ungefähr das Gleiche habe ich Abby gesagt. Das müssen wir beide tun, und ich treffe Tyler schon heute
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