Julia Extra Band 0211
angeblich gestern Abend hinuntergefallen war, absichtlich gegen die Tür geschleudert? Das würde so gar nicht zu ihm passen. Warum sollte er so etwas tun?
Während des Abendessens erkundigte sie sich unauffällig danach. “Wo ist dir das Glas eigentlich hinuntergefallen?”
“Welches Glas?”
“Das von gestern Nacht.”
“Ist das so wichtig? Es tut mir leid, wenn es ein besonders kostbares Stück gewesen sein sollte.”
“Nein, darum geht es mir gar nicht. Ich habe bloß eine Delle an der Tür entdeckt.”
“Wirklich? Wo?” Er runzelte die Stirn.
Sie wies darauf. “Sie ist nicht besonders gut zu sehen.”
“Ach, wir lassen es einfach wieder richten”, meinte Marcus abwiegelnd.
Jenna interessierte jedoch, wie die Delle dorthin gekommen war. Sie wollte weiter bohren, als ihr Mann rasch das Thema wechselte und von etwas völlig anderem zu sprechen begann.
Da sie nicht aufdringlich sein wollte, ließ sie es dabei bewenden.
Während der kommenden Wochen bemühten sich Jenna und Katie, Dean so wenig wie möglich allein zu lassen. Er nahm ihre zahlreichen Einladungen dankbar an und verbarg seine Gefühle hinter einer Maske freundlicher Ruhe.
Als Marcus an einem Wochenende wieder die Jacht seines Freundes zur Verfügung hatte, schlug Jenna vor, auch Dean auf den Segeltörn mitzunehmen. Achselzuckend meinte ihr Mann: “Wenn du das für eine gute Idee hältst …”
“Er sollte abgelenkt werden”, erwiderte sie. “Außerdem segelt er gern.”
Dean kam tatsächlich mit und schien die Tage auch zu genießen. Jenna berichtete seiner Zwillingsschwester davon.
“Dein Bruder braucht Zeit”, sagte sie. “Wir sollten nicht zu viel von ihm erwarten.”
Manchmal sah sie, wie Dean die Schultern hängen ließ und das Lächeln aus seinem Gesicht verschwand, wenn er sich unbeobachtet fühlte.
Auch Katie wusste natürlich, wie sehr er litt. Sie machte sich Sorgen, da er abgenommen hatte und nur noch unregelmäßig aß. Sie fragte sich, ob sie wohl Callie anrufen und ihr erzählen sollte, wie sehr Dean sie vermisste.
“Meine Güte!”, schimpfte Marcus, als er eines Tages ins Wohnzimmer kam und Jenna wieder einmal den Klagen ihrer Freundin zuhörte. “Lasst doch endlich den armen Kerl in Ruhe. Er wird es euch nicht danken, wenn ihr ständig versucht, seine Probleme für ihn zu lösen.”
“Wir wollen ihm einfach helfen”, sagte Katie. “Du etwa nicht?”
“Ich wüsste nicht, was wir für ihn tun könnten. Wenn er wirklich Callie zurückhaben will …”
“Natürlich will er das!” Katie war entsetzt. “Er liebt sie!”
“Warum sitzt er dann nicht in einem Flugzeug nach Amerika?”
“So einfach ist das nicht. Er hat hier eine Stelle, die er nicht verlieren will”, protestierte Katie. “In den Staaten kann er nicht ohne Erlaubnis arbeiten …”
“Wenn sich zwei Menschen wirklich lieben, sollten sie doch eine Lösung finden, wie sie zusammenleben können.”
“Und wie?”
“Er könnte Callie zum Beispiel versprechen, zwei Mal im Jahr ihre Familie zu besuchen. Oder sie könnten heiraten, und Dean könnte sich in den Staaten nach Arbeit umsehen. Er muss sich einfach anstrengen, sie glücklich zu machen – ganz gleich, was das für Umstände macht.”
“Du hast leicht reden”, entgegnete Katie. “Du hast genügend Geld.”
“Dean weiß, dass er mich nur fragen müsste; ich würde ihm jederzeit etwas leihen. Jemand zu lieben ist nie einfach. Echte Liebe bedeutet Opfer bringen, und manchmal muss man verdammt harte Entscheidungen fällen. Aber du musst willens sein, alles zu tun und so ziemlich alles auf dich zu nehmen, um dem Menschen nahe zu sein, den du liebst. Selbst wenn es noch so schwerfällt.”
Jenna starrte ihn an, und auch Katie blickte überrascht auf ihren Bruder.
Seine Wangen waren gerötet. “Wenn er sie nicht kompromisslos liebt”, fügte er hinzu, “dann verdient er sie auch nicht.”
Nachdem er aus dem Zimmer gegangen war, schaute Katie ihre Freundin fragend an.
Jenna schüttelte verwirrt den Kopf. Noch nie hatte sie Marcus mit einer solchen Leidenschaft sprechen gehört. Wer war die Frau, die ihn zu solchen Reden beflügelte? Plötzlich ergriff sie wilde Eifersucht.
Marcus hatte nie vorgegeben, dass er starke Gefühle für sie hegte. Sie konnte es ihm nicht einmal zum Vorwurf machen, dass er sie belog. Er hatte nie mit der Wahrheit hinter dem Berg gehalten.
10. KAPITEL
Jenna entschloss sich, Katie vorsichtig über ihren älteren Bruder auszufragen. “Ich
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