Julia Extra Band 0213
einfach zu Jarrad zurückziehen.
Er ging auf ihren entsetzten Widerspruch nicht weiter ein. “Falls ich Freitag Matthew nicht vorfinden werde, wird der Teufel los sein!” Energisch schritt er aus dem Apartment und ließ Kendal völlig entgeistert stehen. Zitternd hörte sie draußen den Motor seines Porsches aufheulen. Kurz danach war es totenstill.
Kendal konnte sich danach nicht mehr konzentrieren; ihre anfängliche Begeisterung für ihr kreatives Projekt für die Arkwrights war wie weggeblasen.
Warum konnte dieser Mann sie nicht in Frieden lassen? Und ihr auch nicht ihren Seelenfrieden lassen? Dies hatte sie sich tausend Mal gefragt während jener ersten sechs Monate allein mit Matthew in Schottland.
Sie konnte ja verstehen, dass Jarrad seinen Sohn um sich haben wollte. Aber hatte nicht
er
, durch die Geschichte mit Lauren, ihr Familienleben zerstört? Doch wollte Jarrad womöglich jetzt um jeden Preis auch sie, seine Ehefrau, zurückholen?
Sie ließ sich auf einem Stuhl nieder, stützte den Kopf auf beide Hände und dachte über die Gefühle nach, die so gefährlich von neuem in ihr aufgeflackert waren in der Sekunde, da Jarrad sie erstmals wieder berührte. Gefühle, von denen sie gehofft hatte, dass sie für immer erloschen waren, spätestens seit der quälenden Erfahrung seiner Romanze mit Lauren.
Doch das war nicht der Fall. Und allem Anschein nach blieb auch Jarrad von ihrer Wiederbegegnung nicht ganz unberührt. Eine starke erotische Anziehungskraft hatte schon immer bei ihnen beiden gewirkt. Zuerst hatte Kendal es ignorieren wollen, denn die Konstellation – Jarrad als der Chef ihres Schwagers Ralph – erschien ihr zu kompliziert. Auch hatten Jarrads so souveränes Auftreten und seine Vitalität sie eingeschüchtert, zumal sie bis dahin nur wenig Erfahrung mit Männern hatte … lediglich ein paar mehr oder weniger ernste Techtelmechtel. Jarrad war allerdings auch der erste Mann gewesen, in den sie richtig verliebt war.
Nach ihrem Kennenlernen hatte Kendal sich gänzlich zurückgezogen. Sicher auch als Selbstschutzmaßnahme, denn sie hatte sich nicht vorstellen können, dass dieser so blendend aussehende und so wohlhabende Mann sich ausgerechnet für sie ernsthafter interessieren könnte. Auch wenn er keineswegs schon immer begütert war, sondern sich aus bescheidenen Verhältnissen hochgearbeitet hatte, vom fleißigen Schüler über den Studenten mit Begabtenstipendium bis zum kreativen und arbeitsamen Computerspezialisten.
Jarrad hatte ihr zaghaftes Verhalten damals bemerkt. Um unaufdringlich näheren Kontakt zu ihr aufzubauen, hatte er sich den Trick erlaubt, Teile der Inneneinrichtung eines Hauses bei ihr in Auftrag zu geben, mit dem Hinweis, dass es sich um das Haus handele, das er in Kürze mit seiner Braut beziehen wollte. Obschon Kendal ja eigentlich gar nichts weiter von Jarrad Mitchell wollte, hatte sich bei dieser Mitteilung bei ihr das Gefühl einer herben Enttäuschung eingestellt. Sie war aus allen Wolken gefallen, als Jarrad ihr nach der erfolgreichen Fertigstellung ihrer Arbeit in dem Haus gestand, dass
sie
diese Braut sein sollte!
Schon zwei Monate später hatte sie Jarrad geheiratet, und nach drei weiteren Monaten hatte sie Matthew erwartet. Oh, wie rundherum glücklich sie damals war!
Doch jetzt blickte sie erbittert zur Uhr und musste dabei Tränen unterdrücken. Verflucht sei Jarrad Mitchell! Was in ihrem Leben heute einzig zählte, war Matthew! Energisch nahm sie ihre Autoschlüssel und eilte aus dem Haus, ihn abzuholen. Die begründete Angst, sein Vater könne ihn jederzeit wegschnappen, hing wie ein Damoklesschwert über Kendal – so empfand sie es zumindest.
Am nächsten Vormittag bekam Kendal einen Anruf von Tony. Er hatte von einem dankbaren Kunden zwei Theaterkarten für den Samstag geschenkt bekommen. Das gebotene Theaterstück klang im ersten Moment verlockend. Doch Kendal wollte keinerlei Privatgeschichte mit Tony anfangen – so wenig wie derzeit mit sonst einem Mann. Aber noch wichtiger war der Grund, den sie auch Tony für die Absage nannte. “Ich habe Matthew die ganze Woche viel zu wenig gesehen – das Wochenende möchte ich mich ausschließlich ihm widmen.”
Als sie sich von Tony verabschiedete, blickte sie hinüber zu Matthew, der auf dem leicht abgewetzten Teppich sitzend gerade den letzten von mehreren Bauklötzen aufeinanderstapelte und einen entzückten Schrei ausstieß, als sein Turm in sich zusammenfiel.
Da klingelte das Telefon erneut.
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