Julia Extra Band 0213
verdächtig gewesen – wenn da nicht eines Tages Ralph zu abendlicher Stunde die beiden in Jarrads Büro überrascht hätte!
“Er hat es aber auch nie richtig abgestritten.” Was hätte das auch genutzt? Es hätte in jedem Fall wie eine plumpe Lüge ausgesehen! “Ich weiß nicht, wie du ihn verteidigen kannst, Chrissie! Nach dem, was er Ralph angetan hat!”
Chrissie senkte den Blick und wirkte plötzlich so unglücklich, dass Kendal sich wünschte, besser nichts Derartiges erwähnt zu haben.
“Es tut mir leid”, war alles, das ihr einfiel. O könnte sie doch zaubern, dann würde sie jetzt für ihr geliebtes Schwesterlein alles wieder ins Lot bringen.
“Oh, keine Sorge, ich werde mittlerweile schon ganz gut fertig damit”, versicherte Chrissie der älteren Schwester, doch Kendal durchschaute, dass sie einfach nur tapfer wirken wollte, die Sache aber beileibe noch nicht überwunden hatte. “Kann sein, dass er Ralph hinausgeworfen hat, weil er meinte, Ralph habe sich ungebührend in sein Privatleben eingemischt. Aber ich weiß es nicht wirklich”, bemerkte Chrissie freudlos. “Ich meine nämlich, dass es noch andere – arbeitsbedingte – Gründe gab, die zu seiner Kündigung führten.”
Sie schaute weg, griff sich eines der geblümten Sofakissen und fühlte sich sichtlich unwohl in ihrer Haut. “Ich glaube, Ralph hat zusehends … die Dinge in seinem Leben irgendwie nicht mehr richtig bewältigt …”
“Was für Dinge denn?”, hakte Kendal nach und runzelte die Stirn. Sie wusste, dass ihre kleine Schwester im Umgang nicht immer die Einfachste war.
“Oh … dies und das … was im Leben so anliegt”, deutete Chrissie ausweichend an und drehte nervös das bestickte Kissen im Kreis. Doch da kam Matthew zu ihr hingewatschelt und winkte ihr mit einem seiner gestreiften Söckchen zu. Lachend hob Chrissie ihn auf den Schoß.
“Ist ja auch egal jetzt – was ich sagen will, ist, dass ich finde, auch du solltest Jarrad nicht voll und ganz dafür verantwortlich machen, dass Ralph seinen Job verlor – selbst wenn du dies gern tätest.” Sie zog dem Kleinen die Socke über den winzigen Fuß und sprach dann weiter. “Und selbst wenn es da einmal einen Seitensprung gegeben hätte – es wäre doch auch nicht das Ende der Welt, oder? Und vielleicht fühlte Jarrad sich ja auch ein wenig vernachlässigt. Denn je öfter er dir sagte, dass es ihm missfällt, wenn du so viel arbeitest, desto häufiger nahmst du neue Aufträge an. Nur um es ihm zu zeigen – aus purem Trotz.”
Kendal biss sich auf die Lippe. Sah Chrissie dies wirklich so?
“Ich tat das, um zu Hause nicht durchzudrehen.” Das entsprach der Wahrheit, denn ohne die interessante, kreativ herausfordernde und ablenkende Betätigung als Innenarchitektin wäre sie verrückt geworden, hätte sie dann doch ständig an Jarrad und diese weltgewandte Lauren denken müssen.
Und eben aus diesem Grund muss ich jetzt von Jarrad weg und Abstand gewinnen, dachte Kendal. “Egal wie du dazu stehst, Chrissie – ich muss arbeiten. Und ich muss diesen Job in den Staaten annehmen”, hauchte sie über die schmale Schulter ihres Sohnes hinweg. Und lauter und mit vollem Nachdruck sagte sie dann: “Und jetzt muss ich dringend gehen.”
2. KAPITEL
Später an diesem Nachmittag lieferte Kendal den kleinen Matthew bei seiner Betreuerin ab und fuhr dann weiter zu Jill und Peter Arkwright; mit dem Ehepaar mittleren Alters hatte sie einen Beratungstermin für eine Inneneinrichtung vereinbart. Es war ihr erster Auftrag seit ihrer Rückkehr nach London.
Kendal hasste es, ihren Sohn allein zu lassen, besonders, wenn dies zwei Mal an einem Tag sein musste. Aber um künftig nicht ganz auf Jarrad angewiesen zu sein, musste sie fortan Geld verdienen, denn nach einem Jahr ohne finanzielle Unterstützung ihres Ehemanns waren ihre Ersparnisse so gut wie aufgebraucht. Doch unter keinen Umständen wollte sie sich finanziell abhängig machen von einem Mann, der sich noch nicht einmal bemühte, seine Liebesaffäre zu leugnen, und der, wie in Ralphs Fall, gänzlich gefühllos handelte – auch wenn ihre Schwester beide Angelegenheiten etwas anders gelagert sah.
Kendal zwang sich, jetzt nicht länger an Jarrad zu denken, sondern sich ganz auf ihren Auftrag zu konzentrieren. Mit Zeichenblock, Farbmustern und weiterem Zubehör machte sie sich auf den Weg zu den Arkwrights.
Nach einer Stunde Rundgang durch deren Haus im Georgianischen Stil hatte Kendal bereits ein grundlegendes
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