Julia Extra Band 0213
hier angekommen sein – nur einige Stunden, bevor Matthew vermisst wurde.”
Und das konnte erklären, wieso der Kleine nicht schrie, als er entführt wurde – weil er nämlich seine Tante erkannte, die er ja stets gerne sah! Kendal stellte sich jetzt vor, wie Matthew vertrauensvoll Chrissie anlächelte, als sie ihn durchs Gartentor schleppte. “O nein!” Auf einmal verspürte Kendal einen stechenden Schmerz in der Herzgegend. “Was sollen wir denn jetzt bloß machen?” Wie betäubt sah sie Jarrad an.
“Uns in Bewegung setzen und sie finden.”
“Und was tun wir dann …? Wenn wir sie gefunden haben?” Schlagartig überkam Kendal eine ganz neuartige Angst. Sie konnte sich nicht ausmalen, ihre eigene Schwester womöglich anzuzeigen und ins Gefängnis zu schicken …
“Nun lass uns nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun.” Jarrads Worte klangen beschwichtigend, doch gleichzeitig ließ die Strenge und Bestimmtheit seines Tons Kendal erschauern. “Überleg mal lieber, wo Chrissie sich aufhalten könnte.”
“Woher soll denn ich das wissen?”
“Menschenskind, sie ist deine Schwester. Meist haben Geschwister doch eine Ahnung von dem, was und wie der andere denkt.” Er kam jetzt auf Kendal zu, packte sie bei den Schultern und schüttelte sie unsanft. “Denk jetzt scharf nach!”
“Lass mich!”, versuchte sie sich zu wehren. “Ich will sie ja genauso dringend finden wie du. So lass mir wenigstens ein paar Momente zum Nachdenken.” Doch irgendwie konnte sie in dieser belastenden Situation keine klaren Gedanken fassen.
Auch fühlte sie sich inzwischen noch geschwächter als ohnehin all die anstrengenden zurückliegenden Tage schon. Und da konnte sie nicht anders, als sich ganz unvermittelt an Jarrad anzuschmiegen.
Er reagierte sofort und schloss Kendal ohne zu zögern in die Arme.
Eine Weile blieben sie still so stehen.
Sie wunderte sich über sich selbst, wieso sie alles als weniger schlimm empfand, solange er bei ihr war und sie hielt. Wie konnte das sein – wo er doch gleichzeitig eigentlich so etwas wie ihr ärgster Feind war, der ihren Seelenfrieden bedrohte …?
Und wieso ließ sie sich jetzt auch noch von seinem Duft so betören, obschon sie doch gerade eine absolute Stress-Situation erlebte? Kendal mochte ihre momentanen Empfindungen und Reaktionen auf diesen Mann nicht wahrhaben – aber es war nun einmal so und nicht anders.
Während sie sich in seiner Umarmung allmählich entspannte, ging ihr plötzlich ein Licht auf. “Schottland!”, rief sie plötzlich.
“Schottland? Was soll das heißen?”
Jetzt schüttelte er sie wieder ein wenig, doch Kendal spürte den festen Druck nicht, den seine Finger auf ihre Arme ausübten, denn gerade ratterte ihr Hirn. “Chrissie hat mir schon mehrfach von einer Gegend vorgeschwärmt, die sehr idyllisch sein soll … im Lake District, unweit von Borrowdale … in einem entlegenen Tal.”
Jarrad horchte auf. “Klingt wie ein idealer Ort, sich zu verstecken!” Sofort wurde er ganz geschäftig. “He – worauf warten wir noch?”
Nur wenig später saßen beide in Jarrads Porsche.
“Eines sollst du gleich wissen”, eröffnete Jarrad ihr, kaum dass sie losgefahren waren. “Sollten wir Matthew dort finden, werde ich ihn keinen einzigen Tag mehr aus den Augen lassen!”
Er ließ Kendal nicht zu Wort kommen. “Und wenn du dir Gedanken darüber machst, was das für dich bedeutet, dann sage ich dir jetzt etwas klipp und klar. Matthew wird auf jeden Fall bei mir leben, in meinem Haus, wo so etwas Schreckliches wie jetzt nicht mehr passieren kann. Und wenn auch für dich das Wohl deines Sohnes im Vordergrund steht, dann stell deine glorreiche Karriere hintenan, vergiss unsere früheren Reibereien und arrangiere dich mit mir.”
So hart seine Worte in ihrem Ohr auch klangen – momentan war ihr dies alles egal, solange sie Matthew wieder finden würde und bald in ihren Armen halten könnte! Sie wusste, auch sie selbst würde es nicht mehr ertragen, noch einmal von ihrem Kind getrennt zu sein. Und wenn das bedeutete, ihre Arbeit an den Nagel zu hängen und Jarrads Bedingungen zu akzeptieren – dann sollte es eben so sein.
Im Augenblick zählte es nicht, wie sie persönlich sich fühlte, was ihre eigenen Wünsche und Ziele waren. Auch wie sehr sie verletzt worden war durch die Untreue ihres Mannes mit Lauren – darum konnte es jetzt nicht gehen.
Und sie würde dies alles auch künftig ausblenden können, solange sie davon überzeugt war,
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