Julia Extra Band 0213
fände. Er hatte nicht schockiert, sondern auffallend zurückhaltend und irgendwie merkwürdig vorsichtig geklungen, als er ihr die Frage stellte, warum sie ihre Schwester verdächtigte. Ja, genau so – eine Mischung aus Vorsicht und Gerissenheit … so als habe er diese Nachricht fast schon erwartet. Als ob er bereits etwas gewusst hätte …
Plötzlich musste sie an die Worte denken, die er ihr in der Nacht nach dem Austausch heißer Zärtlichkeiten ins Ohr geflüstert hatte, bevor sie beide selig eingeschlummert waren. Bei dem Gedanken daran fröstelte ihr jetzt, und ihre ohnehin beträchtliche Verwirrung nahm noch mehr zu.
Ich würde alles tun, um dich hierzubehalten. Hier in meinem Bett. In meinem Leben. Und dass es so ist, das weißt du auch, nicht wahr?
An diese Worte Jarrads erinnerte sie sich jetzt.
Alles tun, klang es ihr immer wieder im Ohr, als sie sich in einen Sessel plumpsen ließ. Was konnte dieses “Alles” wohl einschließen …?
Kendal rang plötzlich nach Luft. Nun bleib aber auf dem Teppich, ermahnte sie sich. Wozu auch immer er in der Lage sein mag – ein Kidnapper ist Jarrad nicht. Schließlich ist er wegen Matthews Verschwinden ähnlich fertig mit den Nerven wie du selbst. War nicht sein gegenwärtiges Verhalten, alles in allem, der Beweis dafür?
Doch Männer konnten auch sehr gute Schauspieler sein. Hatte ihre Mutter ihr dies nicht schon in früher Jugend als Warnung mit auf den Weg gegeben? Die Warnung zudem, einem Mann niemals voll und ganz zu glauben und zu vertrauen!
Kendal wollte diese Warnung verdrängen, aber sie wurde diese Gedanken einfach nicht los.
Schließlich hat dieser Mann dich betrogen, oder? Und sowieso, wie konnte er davon ausgehen, dass Chrissie zu Hause sein könnte?
Kendal atmete ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen. Sie drehte langsam wirklich durch! Und das war ja wohl nur zu verständlich! Denn konnte es möglich sein, dass Jarrad mit Chrissie irgendwie unter einer Decke steckte? Gab es da womöglich eine geheime Verschwörung in der Absicht, Kendal daran zu hindern, mit Matthew außer Landes zu reisen …? Würde Jarrad mit Chrissies Hilfe sie durch eine Entführung dazu nötigen, zu ihm zurückzukehren? Könnte er ihr so etwas antun?
Nein, das konnte Kendal sich nun doch nicht vorstellen. Aber was sollte sie, was konnte sie noch glauben?
Aus diesen Gedankenspielen wurde sie gerissen, als sie den Motor des Porsches leise röhren hörte, in dem Jarrad nun vor Chrissies Haus vorgefahren kam.
Dann ertönte auch schon die Klingel der Haustür.
Jarrad stand vor ihr in einem cremefarbenen Polohemd und leichten hellen Sommerhosen, sein Haar zerzaust, so als sei er nur kurz mit der Hand hindurch gestrichen nach dem Sprung aus dem Bett. Seine Miene war finster.
“Was genau ist los?”, fragte er in überraschend sanftem Tonfall, nachdem er eingetreten war.
Hatte er wirklich keinerlei Ahnung?
“Du hast etwas gewusst”, flüsterte sie und wurde auf einmal ganz blass. “Sei jetzt ganz ehrlich!”
“Ich – gewusst?” Er sah sie stirnrunzelnd an. “Was sollte ich schon gewusst haben?”
“Was … mit Chrissie los ist.”
Er zuckte die Achseln. “Nun, gewusst habe ich nichts, höchstens spekuliert, aber das auch erst, nachdem
du
gewisse Andeutungen gemacht hast.” Erst als er ihren vorwurfsvollen Blick sah, wie sie da in ihren Jeans samt Baumwolltop sichtlich gequält vor ihm stand, ahnte er leise, worauf sie hinaus wollte. “Du liebe Güte, Kendal! Was zum Teufel willst du mir unterstellen?”, fauchte er sie an.
Sie trat leicht erschrocken einen Schritt zurück, sprach dann aber beherzt aus, was ihr auf der Seele lag. “Nun, was soll ich denken …? Immerhin hast du hier angerufen. Und wolltest Chrissie sprechen.” Sie konnte selbst keinen klaren Gedanken mehr fassen, was diese verworrene Sache anging. Aber war das jetzt wichtig, ob ihn eine Mitschuld traf oder nicht? Matthew war immer noch verschwunden, das war das Problem! “Ich dachte, du …”
“Du dachtest
was
?”
Zornig packte er sie bei den Oberarmen; schmerzend krallten seine Finger sich darin fest.
“Ich weiß nicht. Ich …” Sie hielt eine Hand an ihre Stirn. “Ach, Jarrad. Verstehst du denn nicht? Du riefst hier an und wolltest Chrissie sprechen, weil du mit ihr über Matthew reden wolltest …” So war es doch gewesen, oder? Das hatte sie doch nicht nur geträumt? “Wieso bist du davon ausgegangen, dass du sie hier erreichen würdest? Da musstest du doch
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