Julia Extra Band 0258
Geheimnis.“
„Ich habe kein Geheimnis, Pearly.“ Sie ging zur Tür, bevor die Freundinnen ihr neue Fragen stellen konnten. „Also dann, bis bald.“ Schnell verließ sie den Salon und zog die Tür hinter sich zu.
Auf dem Bürgersteig verlangsamte sie ihre Schritte. Sie brauchte ein paar Minuten, um nachzudenken.
Jace hatte sie geküsst.
Sie hatte ihn wiedergeküsst.
Ob sie es wollten oder nicht, sie waren sich nicht gleichgültig – der Funke existierte. Selbst der flüchtige Kuss in der Geisterbahn, der eigentlich gar keiner gewesen war, oder die leichte Berührung von heute Morgen hatten das bewiesen.
Die Chemie stimmte, daran bestand kein Zweifel.
Aber die Wörter Unterschiede und Gegensätze gingen ihr nicht aus dem Kopf. Jace und sie kamen aus zwei verschiedenen Welten. Ihr Leben, ihre Erwartungen hatten nichts gemeinsam.
Dann dachte sie an Pearlys Geschichte von einer Frau, die nach alten Knochen grub, und einem Mann, der Romane schrieb. Auch sie waren verschieden, und dennoch ergänzten sie sich.
Jace behauptete, dass die Ehen seiner Mutter und seiner Schwester gescheitert waren, weil sich die Unterschiede zwischen den Partnern nicht überbrücken ließen.
Musste es so sein? Konnte man nicht trotz aller Unterschiede eine dauerhafte Bindung schaffen?
Konnten ein Privatdetektiv und eine Prinzessin miteinander glücklich werden?
In allen Märchen las man über das wundervolle Leben von Fürstentöchtern, doch die Wirklichkeit sah anders aus. Sie, Emilia, konnte ein Lied davon singen.
Hier, in dieser kleinen amerikanischen Stadt, hatte sie so etwas wie eine normale Existenz gefunden, aber die Gefahr, dass irgendein Reporter entdeckte, wer sie war, blieb bestehen. Dann wären die Zeitungen wieder voller Schlagzeilen über das wilde Leben von Eliasons Partyprinzessin . So wie damals …
Es war so ungerecht. Jedes Ereignis ihres Lebens – und wenn es noch so unbedeutend oder unschuldig war – wurde zum Event, an dem sich ganz Europa ergötzte.
Konnte sie Jace so etwas zumuten? Er war nicht nur ein Mann, der sein Privatleben schätzte, sondern obendrein ein Privatdetektiv. Für ihn bedeutete Diskretion noch mehr als für den Durchschnittsbürger.
Gesetzt den Fall, sie ließen es darauf ankommen, um zu sehen, ob aus dem Funken mehr werden konnte, und die Presse käme dahinter. Was dann? Wäre das ihm gegenüber fair?
Sie wusste es nicht. Doch zum ersten Mal seit langer Zeit fand sie, dass sich der Versuch lohnen könnte.
Auf halbem Weg klingelte ihr Handy. Als Emilia sah, dass es die Nummer ihrer Mutter war, antwortete sie.
„Hallo Mom. Wie geht’s?“
„Hallo Liebling. Ich habe eben erfahren, was dein Vater verbrochen hat. Ich meine die Geschichte mit dem Konto. Es tut mir ja so Leid.“
„Mom, ich wollte nur …“
„Du brauchst mir nichts zu erklären, Kleines. Natürlich hätten wir dich gern hier bei uns, aber ich verstehe sehr gut, dass du ein eigenes Leben brauchst. Nach so vielen Jahren weiß ich, was es heißt, keine Privatsphäre zu haben. Deshalb wollte ich auch, dass du in Erie studieren konntest. Trotzdem … Ich hoffe, dass du es irgendwie schaffen wirst, deine Wünsche mit denen deiner Familie und deines Landes in Einklang zu bringen.“
„Ich weiß nicht …“
„Irgendwann wirst du es wissen, glaub mir. Dann wirst du aus freien Stücken eine Entscheidung treffen und nicht, weil dein Vater dir die Mittel sperrt oder dich zum Heiraten zwingen will. Das mit der Bank ist geregelt, du hast wieder Zugriff auf dein Konto. Und was seine absurde Idee, dich mit Tanner zu verheiraten, angeht …“ Die Fürstin verstummte, doch ihr Seufzer sprach Bände.
„Ich weiß, Mom. Wir brauchen nicht mehr darüber zu reden. Danke für deine Hilfe mit dem Konto, das erleichtert vieles.“
„Eins solltest du nicht vergessen, Liebling. Auch wenn du keine Prinzessin sein möchtest, so bleibst du dennoch meine Tochter. Ich kenne dich. Ich weiß, dass du vor deinen Pflichten nicht davonläufst, und ich bin sicher, dass du einen Weg finden wirst. Du bist eine Kämpfernatur.“
Sie unterhielten sich noch ein Weilchen, und Emilia spürte erneut, wie sehr sie ihre Familie und ihr Zuhause vermisste – und auch ihr Land.
Aber nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, kam sie sich wie eine Hochstaplerin vor. Mom behauptete, sie sei eine Kämpfernatur. War sie das wirklich? In letzter Zeit merkte man nicht viel davon.
Sie blieb stehen und betrachtete die beiden Läden. Titles und
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