Julia Extra Band 0258
den Dreißigern war, ist sie Merv begegnet. Einem Schriftsteller! Er schrieb aber keine wissenschaftlichen Abhandlungen oder Artikel, sondern Romanzen.“
Hoffmann schnaubte verächtlich. „Ein richtiger Mann schreibt keine Romanzen.“
„Ein ganz bestimmter richtiger Mann sollte sich seine Worte gut überlegen“, murmelte Josie.
Hoffmann warf einen Blick auf die Nagelschere und erblasste. „Äh … Ich meine … Natürlich gibt es dagegen nichts einzuwenden. Ich hatte mir gerade überlegt, ob ich dir heute nicht einen Blumenstrauß kaufen sollte, Liebling. Blumen sind romantisch, findest du nicht?“
Josie lächelte und beschäftigte sich einfach weiter mit seinen Fingernägeln.
„Wie dem auch sei …“, nahm Pearly ihre Geschichte wieder auf, „… es stellte sich heraus, dass Merv der perfekte Mann für Lin war. Sie brauchte zwar eine Weile, um das einzusehen, denn sie ist stur, und alles muss nach ihrem Kopf gehen. Aber Merv war geduldig und erfindungsreich, vielleicht hängt das mit seinem Beruf zusammen. Und schließlich hat er sie dann auch umgestimmt.“
„Das klingt nicht gerade romantisch.“
„War es aber. Jetzt sind sie schon zehn Jahre verheiratet, und es ist die ideale Ehe. Merv kann überall schreiben und Lin deshalb auf ihren Ausgrabungen begleiten. Sie buddelt nach Knochen, und er schreibt Romane. Die zwei sind völlig verschieden, bei ihr zählt die Wissenschaft und bei ihm das Gefühl. Und es klappt prima. Man darf nur nicht zu engstirnig sein, Emilia, und muss die Augen offen halten. Wer weiß, vielleicht ist der Richtige näher als du denkst.“
„Fertig.“ Libby entfernte den Frisierumhang und betrachtete ihr Werk. „Beeil dich, bevor Pearly mit einer neuen Geschichte anfängt.“
„Kann ich dich um einen Gefallen bitten, bevor ich gehe, Libby?“
„Aber natürlich, das weißt du doch.“
„Dürfte ich ein Weilchen dein Büro benutzen? Ich muss ein paar Papiere durchsehen, und im Café ist heute Hochbetrieb.“
„Du weißt, wo es lang geht, lass dir Zeit“, erwiderte Libby, ohne neugierige Fragen zu stellen.
Sogar Pearly, für die das Wort Diskretion im Allgemeinen keine Bedeutung hatte, hielt sich zurück.
Emilia betrat den kleinen Raum, der Libby als Büro diente, und holte den Hefter, den Jace ihr im Auto gegeben hatte, aus der Handtasche.
„Jason Patrick O’Donnell“ stand auf dem Deckel. Sie öffnete die dünne Akte und begann zu lesen.
Auf der ersten Seite standen Angaben zu seiner Person: wie groß er war, wie viel er wog – Dinge, die sie nicht sonderlich interessierten. Worum es ihr ging, waren seine Gedanken, seine Träume und Hoffnungen. Das, was für ihn wichtig war.
Trotzdem überflog sie die Zahlen und Fakten. Er war dreißig, sie selbst fast siebenundzwanzig. Drei Jahre – das war kein großer Unterschied …
Sie hielt inne.
Der Altersunterschied zwischen ihnen spielte wirklich keine Rolle. Jace war ihr Gegner, und worauf es ankam, war, ihn näher kennen zu lernen, um besser parieren zu können. Doch dann gab sie es auf: Tief in ihrem Innern wollte sie mehr über ihn wissen – über Jace, den Mann, nicht den Privatdetektiv.
Sie überflog die sechs Seiten, die er mit seiner klaren Handschrift eng beschrieben hatte. Um sie aufmerksam zu lesen, fehlte ihr jetzt die Zeit, das würde sie später nachholen. Dennoch erregte gleich am Anfang ein Absatz über die gescheiterte Ehe seiner Eltern ihre Aufmerksamkeit. „Sie waren zu verschieden, um miteinander harmonieren zu können“, schrieb er.
Auf der nächsten Seite erwähnte er Shellys Scheidung. Diesmal lautete der Kommentar: „Zu gegensätzlich für eine gelungene Ehe“.
Zu verschieden.
Zu gegensätzlich.
Sie schloss den Hefter und starrte vor sich hin. Wollte er sie warnen?
Die Mühe hätte er sich sparen können. Sie wusste selbst, was alles zwischen ihnen stand. Doch Wissen nützte nicht viel. Wenn sie seine Arme um sich fühlte, dachte sie nicht an Unterschiede oder Hindernisse, sondern nur noch daran, ihm nahe zu sein. Dass sie sich anders verhalten sollte, daran brauchte er sie nicht zu erinnern.
Ein wenig deprimiert stopfte sie den Hefter wieder in die Handtasche und kehrte in den Salon zurück.
„Danke, Libby. Es wird Zeit, dass ich gehe.“
„Du willst uns also wirklich nichts verraten“, sagte Pearly.
Emilia schüttelte den Kopf. „Nein, im Moment nicht.“
Pearly seufzte. „Das habe ich mir schon gedacht. Aber das macht nichts, wir kommen schon noch hinter dein
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